Das alleinige Halten des Handys am Steuer ist erlaubt

Das OLG Celle urteilte über das Verbot von Mobiltelefonen während der Autofahrt.

Ein Fahrer dürfe, ohne gegen das Handyverbot zu verstoßen, sein Mobiltelefon in der Hand halten.

–  OLG Celle, Beschluss vom 07.02.2019; Az.: 3 Ss (OWi) 8/19 

Die dem Urteil des OLG Celle zugrundeliegende Fallkonstellation

Ein Autofahrer wurde während der Fahrt auf einer Straße innerorts angehalten. Die Beamten, welche auf Polizeistreife waren, hatten diesen mit einem Mobiltelefon in seiner Hand am Steuer des Fahrzeugs gesehen. Dem Fahrer wurde ein Bußgeldbescheid von 100 Euro erlassen, gegen welchen er Einspruch einlegte. Schließlich habe er, so der Kläger, das Handy nicht benutzt sondern lediglich gehalten.

Das Urteil des OLG Celle : Alleiniges Halten des Handys ist erlaubt

Das Handyverbot am Steuer ist gesetzlich in der Straßenverkehrsordnung geregelt. Die in diesem Fall maßgebliche Norm ist § 23 Abs. 1a StVO, welche vom Amtsgericht der ersten Instanz anders ausgelegt als vom OLG Celle. Während ersteres durch das Aufnehmen eines elektronischen Geräts einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1 a StVO begründete, erklärte das OLG Celle das Halten des Mobiltelefon für erlaubt und zulässig.

Die Norm regle, unter welchem Umständen die Benutzung eines elektronischen Geräts während der Fahrt nicht erlaubt sei und verbiete die Handynutzung aus diesem Zweck. Falls das Element der Benutzung fehle, so das OLG Celle, unterfalle das alleinige Halten nicht dem Verbot. Um gegen die Norm zu verstoßen, müsse der Gebrauch einer Bedienfunktion des Geräts vorliegen.

Andere Entscheidungen in ähnlichen Fällen 

Nach einer ähnlichen Entscheidung des OLG Hamm ist die Handynutzung auch dann verboten, wenn sich in dem Gerät keine SIM-Karte befindet. Der Fahrer hatte auch in diesem Fall das Handy in der Hand, spielte jedoch zusätzlich Musik ab.  Das OLG Hamm erklärte, es komme nicht darauf an, ob eine SIM-Karte vorhanden sei oder nicht. Vielmehr sei ausschlaggebend, dass der Fahrer sein Handy nutze.

Nach einer anderen Entscheidung des AG Landshut im Jahr 2017 ist es erlaubt, das Mobiltelefon während der Fahrt aufzunehmen, um es im Fahrzeug in eine Ladeschale zu stecken.

Sowohl diese beiden Entscheidungen als auch das Urteil des OLG Celle verdeutlichen, dass vor allem die Nutzung des Mobiltelefon ausschlaggebend ist. Ein Fahrer, der sich am Steuer nicht an den Nutzungsmöglichkeiten des Handy bedient, sondern es lediglich in der Hand hält oder anders platziert, hat nach Rechtsprechung keine Strafe zu befürchten.

Ausgepackte Matratzen können an Online-Händler zurückgeschickt werden

Vergangenen Mittwoch urteilte der BGH über eine mögliche Rücksendung einer online erworbenen und bereits von der Schutzfolie entfernten Matratze.

Da ein Matratzenkauf dem Kauf eines Kleidungsstückes gleiche, so die Karlsruher Richter, verliere der Käufer sein Widerrufsrecht nicht.

  • BGH vom 03.07.19, Az. VIII ZR 194/16

Die dem Urteil des BGH zugrundeliegenden Fallkonstellationen

Der Kläger, ein Kunde aus Rheinland-Pfalz, hatte im Internet eine Matratze bestellt. Er wollte diese  nicht behalten und zurückschicken, hatte jedoch bereits die Schutzfolie der Matratze entfernt. Auf eine E-Mail mit der Bitte, die Matratze abzuholen, reagierte der Verkäufer nicht. Stattdessen verweigerte dieser die Rücknahme und die Erstattung des Kaufpreises und der Speditionskosten in Höhe von etwa 1200 Euro.

Schließlich sei die Matratze, so der Händler, ein Hygieneartikel gewesen.

Die grundsätzliche Regelung für die Rücksendung von Online-Bestellungen

Eine im Internet erworbene Ware kann gemäß §§ 312g Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB innerhalb von 14 Tagen zurückgeschickt werden. 

Für dieses Widerrufsrecht gibt es Ausnahmen, wie etwa bei versiegelten Waren, die nach §§ 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB „aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde“. 

Beispielhaft gehören zu dieser Art von Produkten Zahnbürsten und Lippenstifte.

Der Onlinehändler hatte in seinen AGB jedoch auch die Matratze als einen Hygieneartikel eingestuft. Fraglich ist, ob eine Matratze rechtens als versiegelte Ware definiert werden kann und das Widerrufsrecht des Käufers entfällt.

Der Fall wurde zunächst vor dem Amtsgericht Mainz angehört und erreichte den EuGH. Dessen Entscheidung wurde von den Richtern des BGH in Deutschland umgesetzt.

Die Vorentscheidung des EuGH : Matratze ist mit Kleidung zu vergleichen 

Bevor der BGH sein Urteil aussprach, wandten sich die Karlsruher Richter an den EuGH.

Dieser entschied, dass eine Matratze nicht als Hygieneartikel und versiegelte Ware deklariert werden könne.

Stattdessen könne eine Parallele zum Kleidungskauf gezogen werde, bei welchem der Käufer selbst nach einer Anprobe sein Widerrufsrecht nicht verliert. Beide Artikel könnten, so der EuGH, bei Rückgabe vom Händler gereinigt, desinfiziert und weiterverkauft werden.

Die Richter zogen zudem einen Vergleich zu Hotelbetten, die von mehreren Hotelgästen nacheinander genutzt werden. Der EuGH betonte zudem, dass der Käufer dennoch das Ausprobieren vor der Rücksendung der Ware nicht übertreiben dürfe, wie etwa mit dem Tragen bestellter Schuhe für einige Tage.

Urteil des BGH: Widerrufsrecht des Käufers entfällt nicht

Der BGH stütze sich auf die Vorentscheidung des EuGH und erklärte, dass die Ausnahmeregelung für die Rückgabe von online erworbenen Artikeln nach §§ 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB lediglich für Produkte gedacht sei, die nicht mehr „verkehrsfähig“ oder unter „unverhältnismäßiger Schwierigkeit“ wieder verkehrsfähig gemacht werden könnten. 

Auf eine Matratze ohne Schutzfolie treffe diese Ausnahmeregelung nicht zu.

Dem Kläger wurde der Kaufpreis zurückerstattet.

Mieter in einer WG darf bei ungenehmigter Videoüberwachung fristlos kündigen

Ende vergangenen Monats urteilte das AG München über die Videoüberwachung in einer Wohngemeinschaft. Wer als Vermieter eine Kamera im Flur der Wohnung installiert, um seine Mieter zu überwachen, könne nicht deren Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist erwarten. Stattdessen dürfe, so das AG München, der Mieter außerordentlichen kündigen und die Zahlung der Miete sofort einstellen. 

–  AG München, Urteil vom 28.05.2019, Az. 432 C 2881/19

Die dem Urteil des AG München zugrundeliegende Fallkonstellation

Der Hauptmieter und zugleich Kläger, betrieb in einer Wohnung lediglich ein Büro. Alle anderen Zimmer, größtenteils vollständig möbliert, vermietete er an Untermieter. Darunter beispielsweise ein 20 m² großes Zimmer gegen eine monatlichen Miete von 810 € zuzüglich 40 € Betriebskostenvorauszahlung und einer Kaution von 1920 €.

Aus Sicherheitsgründen enthielt der Untermietvertrag eine Klausel, die die Installierung einer Kamera vor der Wohnungstür erlaubte. Diese Videokamera wurde jedoch nicht wie vereinbart an der definierten Stelle angebracht. Sie befand sich direkt vor der Zimmertür eines Untermieters und erfasste aus dieser Perspektive den gesamten Wohnflur. 

Nach Vereinbarung war es zudem die Aufgabe des Untermieters, Brotkörner am Boden, Müll aus der Küche und Kaffeeflecken in den Wohnräumen zu entfernen.

Der Kläger begründete den Standpunkt der Kamera damit, dass Zimmertüren streng genommen auch Wohnungstüren seien. Zudem sei die Kamera notwendig, um überprüfen zu können, ob der Untermieter seinen Aufgaben zur Säuberung des Hauses nachkomme und die Wohnungstür abschließe.

Der Beklagte kündigte nach vier Monaten das Mietverhältnis fristlos und zahlte keine Miete mehr. Eine fristlose Kündigung sei, so der Kläger, nicht zulässig. Auch müsse der Untermieter seine restliche Miete zahlen.

Urteil des AG München : Bei Videoüberwachung darf fristlos gekündigt werden

Der Richter am AG München gab dem Untermieter Recht und erklärte die fristlose Kündigung für wirksam. Vom Untermieter könne nicht erwartet werden, dass er die ordentliche Kündigungsfrist bei solch einer Form von Videoüberwachung abwarte. Die Anbringung der Kamera an der Zimmertür des Beklagten könne nicht tragfähig begründet werden. Die Klausel im Untermietvertrag definiere konkret die Anbringung einer Kamera „im Freien vor der Haustür“. 

Die zusätzliche Aufzeichnung des Wohnflurs, welche zum Badezimmer führt, sei weitaus verheerender. Nach realitätsnaher Betrachtung könne davon ausgegangen werden, dass das Badezimmer nicht immer vollbekleidet aufgesucht wird. Dies müsse nicht hingenommen werden und stelle einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar. Zudem sei es unstreitig, dass die Kameraaufzeichnungen vom Mieter regelmäßig ausgewertet wurden.

Die mögliche Kontrolle, ob die Wohnungstür abgeschlossen wurde, könne hingegen durchaus dem Schutze der Untermieter dienen. Dennoch wiege es dein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nicht ansatzweise auf.

Das Gericht sprach dem Kläger letztlich lediglich die zeitanteilige Miete für drei Tage bis zum zugestandenen Zugang der Kündigungserklärung zu.

Überstundenvergütung für mehrere Jahre wird ermäßigt besteuert

Ende vergangenen Monats urteilte das Finanzgericht Münster über die Besteuerung von Überstundenvergütungen. Im Falle eines Aufhebungsvertrages und der Ausbezahlung einer Gesamtsumme für mehrere zurückliegende Jahre, könne der ermäßigte Steuersatz für außerordentliche Einkünfte, die sogenannte Fünftel-Regelung, angewandt werden.

–  FG Münster, Pressemitteilung vom 17.06.2019 zum Urteil 3 K 1007/18 vom 23.05.2019

Die dem Urteil des FG Münster zugrundeliegende Fallkonstellation

Zwischen den Jahren 2013 und 2015 hatte der Kläger insgesamt 330 Überstunden geleistet. Ein Jahr darauf wurde er krank. Aufgrund seiner länger andauern Erkrankung schloss der Kläger mit seiner Arbeitgeberin einen Aufhebungsvertrag. Dieser sah neben der Kündigung des Arbeitsverhältnisses die Auszahlung von 6.000 Euro für die bisher erbrachten Überstunden vor. Neben dieser Vergütung wurden dem Kläger nicht genommene Urlaubstage, eine Rente und Lohnersatzsteuern ausgezahlt. Im selben Jahr entschied das Finanzamt im Einkommenssteuerbescheid, die Vergütung der Überstunden nach dem Regelsteuersatz zu besteuern. Der Kläger legte Beschwerde ein. In seinem Fall müsse, so der Einwand des Klägers, der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 1 EStG greifen.

Urteil des FG Münster : Ermäßigte Besteuerung von Überstundenvergütung mehrerer Jahre

Das FG Münster gab dem Kläger Recht. Die erhaltene Überstundenvergütung des Klägers sei eine Vergütung mehrjähriger Tätigkeit im Sinne des § 34 Abs. 1 EStG. Zudem sei sie nicht von einer Nachzahlung des Lohnes für die Erbringung regulärer Arbeitsleistung zu unterscheiden. Die Voraussetzung für die ermäßigte Besteuerung, eine sich aus mehreren Zeitabschnitten zusammensetzende Vergütung, sei ebenfalls gegeben. 

Das FG Münster ließ letztlich eine Revision gegen seine Entscheidung zum Bundesfinanzhof zu.

Für Unfallfolgen wird auch nach Tagen weiterhin gehaftet

Der BGH urteilte Ende vergangenen Monats über die Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG. Diese greife auch bei Schäden mit einer zeitlichen Verzögerung von eineinhalb Tagen ein. 

  • Urteil vom 26.03.2019; Az. VI ZR 236/18

Die dem Urteil des BGH zugrundeliegende Fallkonstellation

Der Halter eines Mercedes, als Gebäudeversicherer tätig, wurde in einen Unfall verwickelt. Das erheblich beschädigte Automobil wurde zunächst auf das Gelände eines Abschleppdienstes gebracht. Nachdem es einen Tag dort verweilte, wurde das Fahrzeug in eine Werkstatt geschleppt. Der zuständige Mitarbeiter hatte den Schlüssel zwar sofort abgezogen, aber das Abklemmen der Batterie vergessen. Da zudem durch den Unfall eine mechanische Einwirkung die elektrischen Leiter des Autos beschädigt hatte, kam es zum Kurzschluss. Der große Brand in der Werkstattgarage hatte auch zu Brandschäden an den benachbarten Wohnhäusern zur Folge.

Der Halter des Fahrzeugs verklagte den Kfz-Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz aus Halterhaftung.

Die Halterhaftung und die vorinstanzliche Entscheidung des OLG Celle

Die Halterhaftung ist in § 7 des StVG normiert. Der Halter ist zur Erbringung des Schadensersatzes verpflichtet, wenn „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird”.

Fraglich ist, wie genau die Formulierung „bei dem Betrieb“ auszulegen ist.

Nach der Entscheidung des OLG Celle stand dem Gebäudeversicherer kein Schadensersatzanspruch aus § 7 Abs. 1 StVG zu. Zwischen dem Brandschaden und dem „Betrieb“ sei kein Zurechnungszusammenhang feststellbar, da dieser bei der endgültigen Sicherung des Fahrzeuges unterbrochen werde. Zudem sei der Schaden durch einen Dritten entstanden.

Die Entscheidung des BGH : Schaffung einer Gefahrensituation im KFZ-Betrieb

Das Urteil des OLG Celle wurde vom BGH aufgehoben und zur neuen Verhandlung zurückverwiesen. Zwischen der vom Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr und dem Brandschaden bestehe durchaus ein Zurechnungszusammenhang. Der Kurzschluss sei die Folge des Unfalls und habe die schadenursächliche Gefahrensituation geschaffen. 

Die zeitliche Verzögerung von eineinhalb Tagen sei nicht ausschlaggebend und ändere die Sachlage nicht.

Der BGH erklärte zudem, dass durch das sorgfaltswidrige Verhalten des Werkstattmitarbeiters der Zurechnungszusammenhang nicht verneint werden könne. Lediglich beim Mitverschulden sei das Verhalten des Dritten mit einzubeziehen.

Ausstehendes Urteil des EuGH in einem ähnlichen Fall

Ähnliche Maßstäbe seien, so der Generalanwalt des EuGH, auch im Europarecht auffindbar. In einem ähnlichen Fall wurde vorgeschlagen, den Begriff der „Verwendung eines Fahrzeugs“ innerhalb der KFZ-Hauptpflichtversicherung, enger auszulegen. Der Ausdruck solle auch Fälle erfassen, in welchen ein mehr als 24 Stunden in einer Privatgarage abgestelltes Fahrzeug ohne äußere Einflüsse zu brennen beginne. Das Urteil diesbezüglich steht bisher noch aus.

Neues Urteil zu Unterhaltsansprüchen

Anfang letzten Monats urteilte das OLG Frankfurt über Unterhaltsansprüche im Falle einer neuen Partnerschaft der geschiedenen Frau. Diese kann den Verlust von Unterhaltsansprüchen bedeuten. Für die Entscheidung, ob die Ansprüche verfallen, sei nach dem OLG zwischen vorliegender oder fehlender Eheschließung zu differenzieren.

–  OLG Frankfurt; Beschluss vom 03.05.2019, Az. 2 UF 273/17

Verlust des Anspruchs auf Unterhalt durch neue Partnerschaft 

Eine unverheiratete Mutter besitzt gemäß § 1615 I BGB gegen den Vater des Kindes Unterhaltsansprüche für die Zeit nach der Geburt. Bleibt die Frau nach der Geburt zur Kinderbetreuung zuhause, bestehen die Ansprüche für weitere drei Jahre. Für geschiedene Ehegatten gelten etwa deckungsgleiche Regelungen.

Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass im Falle der Scheidung die ehemalige Ehefrau durch einen neuen Partner die Unterhaltsansprüche verlieren kann. Befindet sich die Frau in einer neuen „verfestigten Lebensgemeinschaft“, ist der Vaters nach § 1579 Nr. 2 BGB zu keiner Zahlung verpflichtet.

Die Regelung bezieht sich konkret auf verheiratete Paare zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes. Fraglich ist, inwiefern und ob die Zahlungspflichten verfallen, wenn die Mutter des Kindes mit dem Vater nicht verheiratet gewesen ist.

Die dem OLG Frankfurt vorliegende Fallkonstellationen

Eine Bankangestellte und Mutter hatte sich vor der Geburt ihres Kindes von dem Vater getrennt und die Betreuung übernommen. Sie stieg nach der Elternzeit erst teilweise, nach der Geburt ihres zweiten Kindes vollzeitig in das Berufsleben ein. Die Angestellte verdiente etwa 2.800 Euro netto vor der Geburt, wobei dieser Wert durch ihr Kind deutlich sank. Deshalb forderte sie vom Kindesvater, welcher fast doppelt so viel verdiente, Unterhalt für das gemeinsame Kind. Er hatte bisher zwar Unterhalt gezahlt, kürzte diesen jedoch mit dem Ablauf der Elternzeit. Die Mutter war der Ansicht, die Kürzung des Unterhalts sei nicht legitim und man könne ihre Einkünfte bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs nicht ganz anrechnen. Schließlich könne von ihr nicht erwartet werten, dass sie bereits nach dem dritten Lebensjahr ihres Kindes arbeiten geht. Der Vater teilte diese Ansicht nicht und führte an, sie habe doch auch einen neuen Lebenspartner gefunden und lebe bereits mit diesem zusammen.

Die Entscheidung des OLG : Regelungen zum Verlust von Unterhaltsansprüchen sind nicht auf unverheiratete Paare anzuwenden

Während die Unterhaltsansprüche gemäß § 1579 Nr.2 BGB verfallen können, falls die Eltern des Kindes zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet sind, sei in diesem Fall die Anwendung der Norm nicht möglich. Die Regelung sei nicht auf unverheiratete Ehepaare zu übertragen, da die Gesetzgeber die Unterhaltsansprüche bewusst in mehreren Punkten uneinheitlich belassen hätten. Auf die analoge Anwendung und die Angleichung der Regelung wurde seitens OLG verzichtet. Demnach behielt die Mutter Recht. Nach den ersten drei Jahren sei die Anrechnung der Einkünfte nach § 1615 I BGB lediglich begrenzt möglich.

BGH spricht sich für eine Angleichung aus 

In vergangener Zeit hatte sich der BGH über eine mögliche Angleichung der Normen für verheiratete und nicht verheiratete Partner ausgesprochen. Das OLG hingegen widersprach der Ansicht des BGH und verneinte die Ähnlichkeit einer bloßen Partnerschaft mit der Ehe. Der Hauptgedanke der Regelung des § 1615 BGB, so das OLG, sei die eheliche Solidarität. Durch eine neue Partnerschaft, nachdem man auch zuvor nicht verheiratet gewesen war, könne der Bruch ehelicher Solidarität erst gar nicht entstehen. Die Unterhalt sei vom Vater demnach weiterhin zu leisten.

Neues Urteil des BGH zur Kündigung wegen Eigenbedarfs

Die Anzahl an Eigenbedarfskündigungen nimmt immer mehr zu. Die Frage, wann ein Eigenbedarf vorliegt und ob der Mieter dennoch in der Wohnung bleiben darf, könne nicht durch eine Differenzierung in Fallgruppen beantwortet werden. Für künftige gerichtliche Entscheidungen in Fällen der Eigenbedarfskündigung formulierte der BGH neulich dennoch einige Leitfäden.

Die gesetzlichen Grundlagen der Eigenbedarfskündigung

Grundsätzlich schützt das Gesetz den Mieter, sofern er seinen vertraglichen Pflichten nachkommt. Der Vermieter besitzt bei pflichtgemäßem Verhalten des Mieters kaum eine Möglichkeit, den unbefristeten Mietvertrag zu kündigen.

Dennoch sind nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ordentliche Kündigungen zugelassen, falls der Vermieter den Wohnraum für sich oder Angehörige verwenden möchte. Der Mieter kann der sogenannten Eigenbedarfskündigung, dessen Voraussetzungen nicht sehr hoch sind, lediglich einen Härtefallantrag gegenüberstellen. Fraglich ist, inwiefern gerichtlich konkret entschieden werden muss, wenn sich Härtefall und Eigenbedarf wie in den aktuellen Fallkonstelationen gegenüberstehen.

Die dem BGH zugrundeliegenden Fallkonstellationen

Der BGH griff zwei Fälle auf, die zuvor von den Berufsgerichten zurückgewiesen worden waren.

Im ersten Fall hatte ein legitimier Eigenbedarf des Vermieters vorgelegen. Das Gericht hatte jedoch aufgrund des sehr hohen Alters der Mieterin einen Härtefall angenommen. Die 82 Jährige Frau hatte eine Demenzerkrankung und war seit 1974 die Mieterin der Wohnung. Das Mietverhältnis hätte nach der Entscheidung des LG Berlin künftig weiterhin bestehen müssen.

Im zweiten Fall urteilte das LG Halle und entschied sich für eine wirksame Kündigung des Vermieters. Dem gegenüber stand der Härtefallantrag des Mieters, welcher durch seine Erkrankung als Pflegestufe II hätte eingestuft werden müssen. Der Mieter erklärte, er werde durch Schizophrenie, Alkoholkrankheit, Inkontinenz und Demenz in seiner Lebensqualität erheblich beeinträchtigt und könne nicht umziehen. Zum Nachweis wurde ein Attest eines Psychiaters vorgelegt. Dennoch gab das Gericht dem Vermieter Recht, ohne eine Beweisaufnahme für den Eigenbedarf oder die Erstellung eines Gutachtens über die möglichen gesundheitlichen Folgen eines Umzugs für den Mieter.

Der BGH stufte die Entscheidungen der Berufsgerichte als zu oberflächlich ein. Im ersten Fall habe das LG Berlin den Eigenbedarf des Vermieters als nicht bedeutsam angesehen und im zweiten Fall fehle die Beweisaufnahme. Eine Eigenbedarfskündigung erfordere eine genaue Sachverhaltsaufklärung und Abwägung der Interessen des Mieters und Vermieters. Auf beiden Seiten seien Grundrechtsgüter betroffen. Sowohl das Eigentumsrecht des Vermieters als auch das Recht auf Gesundheit des Mieters müsse berücksichtigt werden.

BGH spricht sich gegen Fallgruppen aus 

Der BGH erklärte zudem, es könnten keine konkreten Fallgruppen erstellt werden, durch die die Abwägung der beidseitigen Interessen bei Kündigung des Mietverhältnisses erfolge. Eine Grenze wie das Alter des Mieters bei Beurteilung einer möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigung durch Umzüge oder eine gewisse Mietdauer dürfe allgemein nicht bestehen und pauschalisiert werden. Konkret müsse im Fall, auf Grundlage einer Beweisaufnahme, darüber entschieden werden. Lege der Mieter selbst ein Attest bezüglich einer negativen Gesundheitsbeeinträchtigung durch einen Umzug vor, müssen ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Lediglich ein Fachgutachter könne richtig beurteilen und zur Klärung beihelfen, ob das Risiko des Mieters schwerer wiegt als das Eigennutzungsinteresse des Vermieters.

Ob Blitzer-Apps legal sind und verwendet werden dürfen

Blitzer-Apps erfreuen sich zunehmender Beliebtheit und machen den Fahrer durch ein GPS-System auf Radargeräte aufmerksam. Durch die vorzeitige Warnung, mittels Tonsignal oder Bildanzeige, hält sich der Fahrer rechtzeitig an die Geschwindigkeitsbegrenzung und kann beispielsweise Bußgeldern entgehen. Nach bisheriger Rechtsprechung ist die Nutzung einer solchen App nicht gestattet. Eine letztinstanzliche Entscheidung steht noch aus.

Blitzer-Apps werden immer beliebter

Mit Hilfe von über 4.000 stationären Radargeräten werden jährlich Autofahrer ermittelt, die sich nicht an die vorgeschriebenen Geschwindigkeitsbegrenzungen nach § 3 StVO halten. Bei Verstoß drohen je nach Höhe der Überschreitung Bußgelder, Punkte in Flensburg und im schlimmsten Fall ein Fahrverbot. Um all dem zu entgehen, bieten sich Blitzer-Apps an, die Fahrer rechtzeitig auf Radargeräte aufmerksam machen und größtenteils kostenlos installiert werden können. Durch ständige Aktualisierung erfassen die Apps zudem neu platzierte Blitzer und orten diese durch GPS-Systeme. Die Nutzung eines solchen Anwendungsprogramms ist nach bisheriger Rechtsprechung jedoch nicht erlaubt.

Durch die Nutzung kann sich ein Autofahrer strafbar machen

Während eine letztinstanzliche Entscheidung über die Blitzer-Apps bisher aussteht, entschieden das OLG Celle und das OLG Rostock auf Grundlage des § 23 Abs.1c StVO über die Illegalität von Blitzer-Apps. Nach §23 Abs.1c StVO darf ein Fahrzeugführer keine technischen Geräte betreiben oder betriebsbereit mitführen, die der Anzeige oder dem Stören von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen dienen. Folglich ist das Mitführen eines derartigen Anwendungsprogramms während der Fahrt nicht gestattet. Die alleinige Installation auf das Smartphones hingegen ist nicht verboten. Es ist somit erlaubt, sich vor der Autofahrt mit Hilfe der Blitzer-App über Standpunkte von Radargeräten zu erkundigen. Lediglich während der Autofahrt darf das Gerät mit der Applikation nicht mitgeführt werden. Andernfalls könnten Bußgelder in Höhe von 75 Euro und bis zu vier Punkte in Flensburg drohen. Fraglich ist, ob das Verbot auch für den Beifahrer gilt. Da sich der Gesetzgeber konkret auf den Fahrzeugfahrer bezieht, dürfte den Fahrer bei Verwendung der App durch den Beifahrer keine Schuld treffen. Der Beifahrer sollte den Fahrer dennoch nicht vor Blitzern warnen.

In einigen EU-Ländern sind Blitzer-Apps erlaubt

Während in einigen Ländern der EU die Verwendung von Blitzer-Apps während der Fahrt gestattet ist, gilt in anderen Ländern dieselbe Rechtsprechung wie in Deutschland. In Belgien, Frankreich, Luxemburg und Spanien dürfen sowohl Apps als auch Navigationsgeräte mit Warnfunktion vor fest installierten Radargeräten während der Fahrt vom Fahrer genutzt werden. Länder wie Finnland und die Niederlande hingegen folgen derselben Rechtsprechung wie das OLG Celle und Rostock. Ob sich die deutsche Rechtsprechung künftig durch ein mögliches letztinstanzliches Urteil ändern könnte, bleibt ungewiss.

Nach Leihmutterschaft im Ausland ist die Leihmutter die rechtliche Mutter

Ende vergangenen Monats urteilte der BGH über die Leihmutterschaft im Ausland.

Demnach sei die Leihmutter, wenn das Kind nach der Geburt vor einer Abstammungsentscheidung im Ausland nach Deutschland gebracht wird, die rechtliche Mutter des Kindes. Dies könne, so der BGH, mit dem deutschen Abstammungsrecht begründet werden.

  • BGH; Beschluss vom 20.03.2019, Az. XII ZB 530/17

Die dem Urteil des BGH zugrundeliegende Fall der ukrainischen Leihmutter

Ein deutsches Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen entschied sich 2015 für eine in der Ukraine lebende Leihmutter, welche die vom Sperma des Ehemannes befruchtete Eizelle der Ehefrau erhielt. Noch vor der Geburt ließ der Ehemann seine Vaterschaft in der Deutschen Botschaft anerkennen. Nachdem das Kind im Dezember in Kiew geboren wurde, registrierte das ukrainische Standesamt das deutsche Ehepaar als rechtmäßige Eltern und händigte ihnen die Geburtsurkunde aus. Zurück in Deutschland fiel dem deutschen Standesamt jedoch auf, dass das Kind von einer Leihmutter ausgetragen worden war. Das Amtsgericht beantragte die Korrektur im Geburtenregister und die Änderung der eingetragenen Ehefrau durch den Namen der Leihmutter. Die Beschwerde des Ehepaars beim OLG Hamm brachte keinen Erfolg. Der BGH bestätigte die Entscheidung des OLG und nahm Stellung.

Zunächst sei die Feststellung, ob die Anwendung des deutschen Abstammungsrechts in diesem Fall möglich wäre, von größter Wichtigkeit. 

Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes nach Art. 19 Abs. 1 Einführungsgesetz zum BGB bestimme den Staat, welchem die Abstammung des Kindes unterliege. Das Ehepaar, beide deutsche Staatsangehörige, würden sich für gewöhnlich und dauerhaft in Deutschland aufhalten. Bei dem Säugling müsse auf das familiäre Umfeld abgestellt werden. Da mitunter die Leihmutter wusste, dass das Kind dauerhaft in Deutschland leben würde und der Ehemann anerkannter Vater sei, müsse von der deutschen Staatsangehörigkeit des Säuglings ausgegangen werden. Das demzufolge anwendbare deutsche Abstammungsrecht erkenne eine Leihmutterschaft nicht an und definiere die rechtliche Mutter nach § 1591 BGB als die Frau, die das Kind geboren habe. Dem Ehepaar bleibt nun lediglich die Möglichkeit einer Adoption offen.

Ähnliche Fallkonstelationen mit anderem Urteil 

Der BGH hatte sich bisher in vergangen ähnlichen Fällen für die nachträgliche Anerkennung der Elternschaft entschieden. Zwei männliche Lebenspartner aus Berlin wurden 2014 als gesetzliche Eltern des in Kalifornien von einer Leihmutter ausgetragenen Kindes anerkannt. Eine sehr ähnliche Entscheidung traf der BGH 2018 im Falle einer Leihmutterschaft in Colorado. Die deutsche Mutter wurde anerkannt, obwohl die Kinder bloß genetisch vom Vater abstammten. 

Der wesentliche Unterschied der vergangenen Fälle mit dem Aktuellen ist der, dass die US-Gerichte die Elternschaft vor der Geburt selbst bestätigten und das deutsche Gericht sich an deren Urteil gebunden sah. Die Eintragung im ukrainischen Standesamt des Ehepaares aus NRW sei, so der BGH, nicht maßgeblich.

Neues EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung bedeutet das Ende der Vertrauensarbeitszeit

Anfang dieser Woche urteilte der EuGH über die Arbeitszeiterfassung in Unternehmen.

Um den Arbeitnehmerschutz und die Einhaltung der EU-Arbeitszeit-Richtlinie gewährleisten zu können, müsse die tatsächliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers genauestens erfasst und dokumentiert werden. Dies könnte neuen Regelungen durch den Gesetzgeber zur Folge haben.

–  EuGH; Urteil vom 14.05.2019, Az.: C-55/18

Die bisherige Regelung des achtstündigen Arbeitstages

Die Regelungen zum Umfang der Arbeitszeit des Arbeitnehmers sind im national geltenden ArbZG gesetzlich normiert. Nach § 3 S. 1 ArbZG darf an einem Werktag nicht länger als acht Stunden gearbeitet werden. Ausnahmsweise sind nach § 3 S. 2 ArbZG auch zehn Stunden erlaubt, wenn innerhalb einer Zeitspanne von sechs Monaten durch die Überstunden keine Summe von mehr als acht Stunden entsteht. In dem Arbeitszeitgesetz befinden sich zudem Regelungen zu Ruhezeiten und einzulegenden Pausen, deren Einhaltung von staatlichen Aufsichtsbehörden oder Ämtern für den Arbeitsschutz kontrolliert werden.

Die zum Schutze des Arbeitnehmers erforderliche Kontrolle resultiert aus den europäischen Vorgaben und ist nach der Rechtsprechung des EuGH von jedem Mitgliedstaat zu gewährleisten.

Nach EuGH-Rechtsprechung müssen Arbeitszeiten genauestens erfasst werden

Zur Einhaltung der Arbeitszeitvorgaben sei die Entstehung eines neuen Systems zur effektiven Dokumentation der tatsächlich geleistet Arbeitszeit von größter Wichtigkeit. Da der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis eine unterlegenere Position einnehme, sei er in besonderem Maße zu schützen. Dieser erforderliche Schutz könne lediglich durch genauste Erfassung der Arbeitszeiten gewährleistet werden. Das neu zu erstellende System müsse, so der EuGH, die Zeiten an einem Werktag genauestens dokumentieren und die zeitliche Verteilung wie auch die Zahl der Überstunden objektiv und verlässlich aufzeichnen.

Vertrauensarbeitszeit nicht mehr möglich 

Die neue EuGH-Rechtsprechung hat weitreichende Folgen für das deutsche Arbeitsrecht. Nach bisheriger Gesetzgebung in Deutschland gibt es keine Vorschrift zur Erfassung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit. Der Arbeitgeber war bisher zur bloßen Dokumentation der Zeiten oberhalb der Arbeitszeit von acht Stunden nach § 16 Abs. 2 ArbZG angehalten. Dies diente insbesondere dem Nachweis der Wahrung des Ausgleichzeitraums nach § 3 S. 2 ArbZG bei behördlichen Kontrollen.

Die tatsächliche Arbeitsdauer des Arbeitnehmers bei Nichtüberschreitung der acht Stunden musste bisher nicht nachgewiesen werden. Auch reichte es bezüglich der Überstunden aus, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Anzahl lediglich meldete. Diese Vertrauensarbeitszeit wird es nach dem neuen EuGH-Urteil nicht mehr geben können.

Der dem Urteil des EuGH zugrundeliegende Fall der spanischen Gewerkschaft

Ein Arbeitnehmer berief sich in einem Rechtsstreit mit seiner Arbeitgeberin, der spanischen Niederlassung einer Deutschen Bank, auf die Grundsätze des Arbeitszeitgesetzes. Er verlangte, von seiner Gewerkschaft unterstützt, die genaue Zeiterfassung der Arbeitsstunden. 

Die europäischen Vorgaben seien, so der Kläger, lediglich durch die genauste Dokumentation zu gewährleisten. Das spanische Gericht leitete den Sachverhalt an den EuGH weiter, welches den Arbeitgeber im Recht sah und dem Argument der Notwendigen genausten Dokumentation zustimmte.