Kein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei aufeinanderfolgenden Krankheiten

Ende letzten Jahres urteilte das BAG über den Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei erneuter Erkrankung des Arbeitnehmers nach Ablauf der sechswöchigen Zahlungsdauer.

Wer aufgrund einer neuen Krankheit arbeitsunfähig werde, müsse dem Arbeitgeber direkt im Anschluss nach Ablauf der sechs Wochen nachweisen, dass die alte Krankheit bereits überwunden war.

  BAG; Urteil vom 11.12.2019, Az. 5 AZR 505/18

Die dem Urteil des BAG zugrundeliegende Fallkonstellation

Die Klägerin, eine niedersächsische Altenpflegerin, wurde im Jahr 2017 drei Monate aufgrund einer psychischen Erkrankung arbeitsunfähig. Am letzten Tag ihrer Arbeitsunfähigkeit bescheinigte ihr eine andere Ärztin aufgrund einer anstehenden und langjährig geplanten Operation die erneute Arbeitsunfähigkeit. Die Bescheinigung wurde als Erstbescheinigung ausgestellt. 

In den folgenden sechs Wochen, welche die Klägerin zur Genesung benötigte, erhielt sie weder die Entgeltfortzahlung ihres Arbeitgebers noch Krankengeld einer Krankenkasse.

Aufgrund der ausgebliebenen Zahlung verlangte die Klägerin von ihrem Arbeitgeber etwa 3.400€ brutto nebst Zinsen. Die erneute Arbeitsunfähigkeit stehe in keinem Zusammenhang mit ihrer vorgegangen psychischen Erkrankung. Vielmehr sei ihr neues Leiden nach Ende der Arbeitsunfähigkeit durch ihre psychische Erkrankung eingetreten. Ihr stehe folglich ein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu.

Ihr Arbeitgeber hingegen vertrat die Auffassung, dass von einem einheitlichen Verhinderungsfall auszugehen sei. 

BAG: Arbeitnehmer muss das Ende der alten Krankheit bei neuer Krankheit nachweisen 

Der Senat bestätigte das vorinstanzliche Urteil des LAG Niedersachsen und gab dem Arbeitgeber Recht. 

Sei der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig geworden und schließe sich daran in engem zeitlichen Zusammenhang eine im Wege der Erstbescheinigung attestierte weitere Arbeitsunfähigkeit an, habe der Arbeitnehmer im Streitfall darzulegen, dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der weiteren Arbeitsverhinderung bereits beendet gewesen sei. Im konkreten Fall sei der Klägerin ein solcher Nachweis nicht gelungen. Ihr stehe folglich kein neuer Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu.

Ausschlussfristen müssen trotz nicht bezifferbarer Ansprüche eingehalten werden

Das BAG urteilte über die Anforderungen wirksamer Geltendmachungen zur Wahrung von Ausschlussfristen.

Auch im Falle von unbezifferbaren Ansprüchen müsse der Arbeitnehmer, so das BAG, seine Ansprüche fristgerecht geltend machen.

  BAG, Urteil vom 17.04.2019; 5 AZR 331/18

Die dem Urteil des BAG zugrundeliegenden Fallkonstellationen

Dem Kläger, einem Arbeitnehmer, wurde innerhalb des Arbeitsvertrags zum Grundgehalt eine zusätzliche leistungsabhängige Prämie versprochen. Dieses war zum 31.3 des jeweiligen Folgejahres zahlbar. Zudem war eine zweistufige Ausschlussfrist vorgesehen, durch die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit schriftlich, nach dessen Ablehnung innerhalb weiterer drei Monate gerichtlich geltend gemacht werden mussten.

Die Prämie der Jahre 2014 und 2015 wurden dem Kläger nicht ausbezahlt. Er reichte am 17.02.2017 eine Klage ein und verlangte seine ihm zustehende Prämie. Der Arbeitgeber widersprach diesem aufgrund der Nichteinhaltung der Ausschlussfrist. Seine Ansprüche seien verfallen. Der Arbeitnehmer hingegen war der Auffassung, dass die Ausschlussfristklausel nach Treu und Glauben unwirksam sei.

BAG: Fristgerechte Geltendmachung von Ansprüchen auch bei nicht bezifferbaren Ansprüchen notwendig 

In erster Instanz hatten das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht die Klage des Arbeitnehmers aufgrund der Nichteinhaltung der Ausschlussfrist abgewiesen.

Die Revision des Klägers hingegen wurde vom BAG zurückgewiesen. Das BAG folgte der vorinstanzlichen Entscheidung, der Prämienanspruch sei mangels rechtzeitiger Geltendmachung verfallen.

Die Richter begründeten zunächst, dass die Ausschlussfristenregelung als solches nicht deshalb unwirksam sei, weil Ansprüche auf dem gesetzlichen Mindestlohn nicht vom Anwendungsbereich herausgenommen wurden.

Der Arbeitsvertrag wurde vor dem Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes am 16.08.2014 abgeschlossen, weshalb auch die entsprechende Rechtsprechung des BAG (18.09.2019; 9 AZR 162/18) in diesem Fall nicht herangezogen werden könne. 

Nach dieser Rechtsprechung stehe nämlich eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallsklausel, die entgegen §3 Satz 1 MiLoG auch den gesetzlichen Mindestlohn erfasse, im Widerspruch zum Transparenzgebot des §307 Abs. 1 Satz 2 BGB und sei insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31. Dezember 2014 geschlossen wurde.

Zudem sei eine fristgerechte Geltendmachung von Ansprüchen auch dann notwendig, wenn die Höhe des Zahlungsanspruchs noch nicht im Einzelnen erfasst werden könne. Eine solche notwendige schriftliche Geltendmachung sei auch dann nicht gegeben, falls in einem Dokument eine Auflistung von Gesprächsthemen erfolgt, wie es hier vorgelegen habe. Vielmehr sei ein unmissverständlicher Ausdruck erforderlich.

Letztlich käme auch eine Hemmung des Laufs der ersten Stufe der Ausschlussfrist innerhalb des Arbeitsvertrags infolge etwaig schwebender Verhandlungen, wie es nach der Rechtsprechung des Senats möglich sei, nicht in Betracht. Im vorliegenden Fall habe der Arbeitnehmer bereits die erste Frist der schriftlichen Geltendmachung nicht eingehalten.

Keine Informationspflicht des Arbeitgebers über Verfall von Urlaubsansprüchen bei Langzeiterkrankten

Das LAG Hamm hatte neulich über die Informationspflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern bezüglich eines Verfalls ihrer Urlaubstage zu entscheiden. Eine solche Pflicht entfalle bei langzeiterkrankten Beschäftigten. 

Die vom BAG aufgestellten Grundsätze zur Belehrungspflicht können, so das LAG Hamm, im Falle von Langzeiterkrankten nicht herangezogen werden.

  LAG Hamm, Entscheidung vom 24.07.2019; Az. 5 Sa 676/19

Die der Entscheidung des LAG zugrundeliegende Fallkonstellation

Die Klägerin, Beschäftigte in einem Hospital, war seit dem Jahr 2017 dauerhaft erkrank und  arbeitsunfähig. Aufgrund dieser Erkrankung war es ihr nicht möglich, im selben Jahr 14 ihrer Urlaubstage in Anspruch zu nehmen. 

Im November 2018 forderte die Klägerin die Beklagte, ihre Arbeitgeberin, mit einem anwaltlichen Schreiben zur Abgeltung des Urlaubs auf. 

Zudem verwies sie auf die Rechtsprechung des BAG, nach welcher Urlaubsansprüche nicht verfallen, sofern der Arbeitgeber es unterlässt, den jeweiligen Arbeitnehmer auf den möglichen Verfall der Urlaubstage hinzuweisen. Die Klägerin habe einen solchen Hinweis von der Beklagten nicht erhalten.

LAG Hamm: Informationspflicht entfällt bei Langzeiterkrankten

In erster Instanz hatte das Arbeitsgericht Paderborn die Klage abgewiesen. 

Bei Nichtinanspruchnahme des Urlaubs bis zum 31.12. des Jahres oder bis zum 31.3. des Folgejahres verfalle der Urlaub nach 15 Monaten ausgehend vom Kalenderjahr, aus welchem die Ansprüche resultieren. Aufgrund der weiterhin fortbestehenden Arbeitsunfähigkeit sei der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2017 dementsprechend bereits am 31. März 2019 erloschen. 

Das LAG Hamm folgte der Ausführung des Arbeitsgerichts. Eine Belehrungspflicht des Arbeitgebers sei nur dann sinnvoll, wenn der Arbeitnehmer in der Lage sei, auf diese zu reagieren und den Urlaub tatsächlich wahrzunehmen. Bei einer durchgehenden Arbeitsunfähigkeit könne dies nicht der Fall sein. 

Zudem könne der Zeitpunkt, wann der Urlaubsanspruch genau erloschen sei nur dann vom Arbeitnehmer festgestellt werden, wenn der Arbeitnehmer wieder genese, was im vorliegenden Fall nicht geschah.

Auch dem Argument der Klägerin, es käme zu einer Ungleichbehandlung oder Schlechterstellung von erkrankten zu nicht erkrankten Mitarbeitern aufgrund der entfallenden Informationspflicht, folgte das Gericht nicht. Es handle sich vielmehr um eine an den unterschiedlichen Lebenssachverhalten ausgerichtete Behandlung.

Wohnungsbesichtigung: Vermieter darf keine beliebigen Dritten mitbringen

Das LG Nürnberg-Fürth urteilte über die Besichtigungsrechte des Vermieters. Ein Vermieter dürfe eine Mietwohnung zur Besichtigung nicht mit einer beliebigen dritten Person betreten. Das Besichtigungsrecht des Vermieters müsse im Interesse des Mieters, so das LG Nürnberg-Fürth, schonend ausgeübt werden.

  LG Nürnberg-Fürth, Pressemitteilung vom 16.09.2019 zum Beschl. v. 18.06.2019, Az.7 S8432/17

Die dem Urteil des LG Nürnberg-Fürth zugrundeliegende Fallkonstellation 

Der Kläger, Vermieter eines Reihenmittelhauses, hatte das Mietverhältnis fristlos gekündigt. Der Mieter habe, nach eigener Aussage, ihm gegenüber wiederholt und unbegründet Mängelanzeigen gemacht. Durch eine derartige Schikane sei die Fortsetzung des Mietverhältnisses für ihn unzumutbar gewesen. Auch habe ihm der Mieter verweigert, das vermietete Objekt mit anderen Zeugen zu besichtigen. Nach der ausgesprochenen Kündigung erhob der Kläger zudem erfolglos Räumungsklage vor dem Amtsgericht in Erlangen.

Urteil des LG: Vermieter darf Wohnung nicht mit einer beliebigen dritten Person betreten 

Die vorinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts Erlangen bestätigte das LG Nürnberg-Fürth und wies die Berufung des Vermieters zurück. 

Ein Kündigungsgrund liege nicht vor, da im Hinblick auf den geltend gemachten Kündigungsgrund, einem mitgebrachten Zeugen sei der Zutritt zur Wohnung verwehrt worden, ein Vermieter grundsätzlich vom Mieter verlangen könne, unter bestimmten Voraussetzungen die Mieträume zum Zwecke der Besichtigung zu betreten. Hierzu bedürfe es eines besonderen Anlasses, welcher insbesondere dann gegeben sei, wenn es darum gehe, Schäden oder Gefährdungen zu überprüfen. Der Vermieter könne grundsätzlich, so das LG, hierfür eine fachkundige Person wie Handwerker oder Sachverständiger mitbringen, jedoch keinen sachunkundigen Dritten. 

Der Mieter habe nach Art. 13 GG den Anspruch auf die Unverletzlichkeit der Wohnung. Aus diesem Grund sei eine Besichtigung erst dann gerechtfertigt, wenn sie effektiv durch Fachkundige durchgeführt und weitere Besichtigungstermine vermieden werden.

Letztlich müsse das Besichtigungsrecht des Vermieters im Interesse des Mieters an der Unverletzlichkeit der Wohnung schonend ausgeübt werden, was im vorliegenden Fall nicht anzunehmen sei. 

Anspruch auf Gewährung halber Urlaubstage besteht nicht

Das LAG Baden-Württemberg urteilte kürzlich über einen möglichen Anspruch des Arbeitnehmers auf Urlaubsgewährung in Form von halben Urlaubstagen gegen den Arbeitgeber. Dieser Anspruch könne, so das LAG, nicht bestehen. Die Gewährung halber Tage erfülle die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers nicht.

  • LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 06.03.2019; 4 Sa 73/18

Die dem Urteil des LAG Baden-Württemberg zugrundeliegende Fallkonstellation

Der Kläger, ein langjährig bei dem Beklagten beschäftigter Arbeitnehmer, war in seiner Freizeit im familieneigenen Weinberg tätig. Um den dort nach Wetter- und Vegetationsbedingungen erforderlichen Aufgaben nachkommen zu können, genehmigte ihm sein Arbeitgeber in früheren Jahren des Öfteren halbe Urlaubstage.
Nach eigener Aussage des Klägers habe er zwischen 13 und 18 Tagen im Jahr kurzfristig solche halben Urlaubstage beanspruchen können. Als die Arbeitgeberin nunmehr mitteilte, künftig höchstens sechs Tage Urlaub zu gewähren, erhob er eine arbeitsgerichtliche Klage.
Der Arbeitnehmer forderte die Feststellung, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihm auf den Jahresurlaub in einem Umfang von bis zu zehn, hilfsweise acht ganzen Tagen in halben Tagen mit einer Ankündigungsfrist von jeweils einem Tag zu gewähren.
Die Klage hatte in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht Heilbronn keinen Erfolg.

Urteil des LAG Baden-Württemberg: Anspruch auf halbe Urlaubstage besteht nicht

Das LAG Baden-Württemberg bestätigte das klageabweisende Urteil des ArbG Heilbronn in seinem Urteil vom 6. März 2019 und begründete, dass das Bundesurlaubsgesetz keinen Rechtsanspruch auf halbe Urlaubstage oder sonstige Bruchteile von Urlaubstagen vorsehe.
Die Richter verwiesen auf den §7 Abs.2 S.1 BUrlG und eine alte Entscheidung des BAG aus dem Jahr 1965, wonach der Arbeitgeber einem Urlaubsantrag, der „eine Zerstückelung des Urlaubs in Kleinstraten“ darstellt, nicht stattzugeben hat. Das Gesetz stelle sicher, dass sich der Arbeitnehmer erholt, was bei einer Gewährung halber Tage nicht der Fall sei. Aus diesem Grund hätten halbtägig oder stundenweise gewährte Beurlaubungen keine Auswirkungen auf das Urlaubskonto.
Eine Ausnahme vom erforderlichen zusammenhängenden Urlaub greife nur, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung erforderlich machen. Ein derartiger Ausnahmefall sei hier, so das LAG Baden-Württemberg, nicht ersichtlich.
Verwiesen wurde zusätzlich darauf, dass Arbeitgeber vertraglich halbe Urlaubstage vereinbaren können, wobei eine derartige Vereinbarung nur für solche Urlaubstage in Betracht käme, die den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigen.

Ähnlicher Fall und gegensätzliche Entscheidung des LAG Hamburg

Mit seiner Entscheidung widersprach das LAG Baden-Württemberg der Rechtsauffassung des LAG Hamburg, welcher in seinem Urteil des 21. September 2015 den Anspruch auf halbe Urlaubstage grundsätzlich bejaht hatte. Begründet wurde die Annahme eines solchen Anspruchs damit, dass der §7 Abs.1 BUrlG einen fehlenden Erholungszweck nicht als Ablehnungsgrund für den Urlaubswunsch vorsehe. Vorausgesetzt sei jedoch die Gewährleistung von mindestens 12 zusammenhängenden Werktagen des Jahresurlaubs.
Eine aktuellere Entscheidung des BAG als die des Jahres 1965, welche die Frage nach der Zulässigkeit der Gewährung halber Urlaubstage beantworten könnte, steht noch aus.

Eine im EU-Ausland geschlossene Minderjährigenehe wurde nicht aufgehoben

Vergangene Woche urteilte das OLG Frankfurt am Main, ob eine im EU-Ausland geschlossene Minderjährigenehe nach deutschem Recht aufgehoben werden kann.

Die Aufhebung sei aufgrund der schweren Härte, die aus der Verletzung der Rechte beider Ehepartner auf Freizügigkeit innerhalb der EU resultierenden würde, nicht möglich.

–  OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.07.19, Az. 5 UF 97/19

Die dem Urteil des OLG Frankfurt am Main zugrundeliegenden Fallkonstellationen

Die Antragsgegner, ein Ehepaar, sind bulgarische Staatsangehörige. Die Ehefrau, welche mit bereits 15 Jahren ihr erstes Kind gebar, heiratete im Frühjahr 2018, mit 17 Jahren ihren Ehemann. Seit Sommer 2018 leben beide in Deutschland. Zudem erwartet die Frau aktuell ihr zweites Kind.

Die zuständige Behörde des Landes Hessen beantragte diesbezüglich, die nach bulgarischem Recht wirksam geschlossene Ehe aufzuheben. Die Antragsgegnerin sei zum Zeitpunkt der Ehe minderjährig und nicht ehemündig gewesen. 

Zudem wurde seit Mitte des letzten Jahres ein Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen erlassen. Nach diesen Vorgaben ist eine Ehe, die unter der Beteiligung eines Minderjährigen geschlossen wurde, grundsätzlich aufzuheben. Dennoch wurden Ausnahmetatbestände definiert, die die Aufhebung ausschließen. Die Ehe kann etwa bestehen bleiben, wenn andernfalls eine schwere Härte angenommen werden kann.

Urteil des OLG Frankfurt am Main

Das  OLG Frankfurt am Main lehnte den Antrag ab, da die Voraussetzungen für die Aufhebung der Ehe nicht vorliegend seien. Auch sei die Ehe nach dem maßgeblichen bulgarischen Recht wirksam geschlossen worden. Bulgarien nimmt die Ehemündigkeit zwar auch erst ab dem 18.Lebensjahr an, erlaubt die Heirat jedoch auch ab dem 16. Lebensjahren, falls eines der sogenannten Rayonsrichter die Eheschließung genehmigt. 

Das OLG Frankfurt erklärte, dass eine allgemeine Aufhebung von Minderjährigenehen nach ausländischem Recht möglich sei, wenn diese nicht aufgrund der außergewöhnlichen Umstände eine so schwere Härte für den minderjährigen Ehegatten darstelle, dass die Aufrechterhaltung der Ehe gebeten erscheint.

Im vorliegen Fall sei eine eben solche Härte anzunehmen. Eine im Ausland nach dem Recht des Landes, dessen Staatsbürger sie sind, wirksame Heirat, in einem anderen Land aufgrund der dort national geltenden Bestimmungen aufzuheben, behindere die Betroffenen in ihrer Freizügigkeit und verstoße gegen das Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit und Aufenthalt.

Zudem sei die minderjährige Ehefrau nicht in dem Maße schützwürdig, wie es der Gesetzgeber bei Inkraftsetzung des Gesetzes zur Aufhebung von Kinderehen im Juli 2017 vor Augen hatte. Weder das Jugendamt noch die Angehörigen hätten, so das OLG Franfurt, ermitteln können, dass die Ehefrau sich der Tragweite einer Ehe nicht bewusst gewesen sei. Zudem habe die Frau selbst gewollt, dass die Ehe erhalten bleibt. 

Ähnlicher Fall des Amtsgerichts Nordhorn

Ein vergleichbarer Fall lag dem Amtsgericht Nordhorn, in der Kreisstadt des Landkreises Grafschaft Bentheim, vor. Dieser hatte ähnlich über die Aufhebung einer in Rumänien geschlossenen Minderjährigenehe zu beurteilen hatte. Auch hier wurde die Aufhebung abgelehnt und auf die Verletzung der Freizügigkeit des EU-Bürgers verwiesen.

Erneute sachgrundlose Befristung nach 22 Jahren zulässig

Das BAG urteilte Ende letzten Monats über die sachgrundlose Befristung und definierte einen Ausnahmetatbestand der BVerfG-Entscheidung vergangenen Jahres, welches die sachgrundlose Befristung beim selben Arbeitgeber lediglich einmal erlaubte. Die erneute Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei, so das BAG, nach einem Zeitraum von 22 Jahren zulässig.

  • BAG, Urt. v. 21.08.2019, Az. 7 AZR 452/17

Die dem BAG zugrundeliegende Fallkonstellation 

Die Klägerin war in der Zeit vom 22.10.1991 bis zum 30.11.1992 bei der Bundesagentur für Arbeit als Hilfsarbeiterin für Kindergeld tätig und wurde nach 22 Jahren im Oktober 2014 erneut, dieses Mal als Telefonservicearbeiterin, eingestellt. Bereits ihr früherer Arbeitsvertrag war auf 13 Monate befristet gewesen. Das neue Arbeitsverhältnis hingegen wurde zunächst bis zum 30.06.2015 befristet, jedoch bis zum 30.06.2016 verlängert. Die Klägerin forderte nun die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der erneuten Befristung ihres zweiten Arbeitsverhältnisses beim selben Arbeitgeber beendet worden sei.

Urteil des BAG: Sachgrundlose Befristung nach 22 Jahren zulässig

Während das Arbeitsgericht die Klage auf Feststellung abwies, gab das Landesarbeitsgericht Schleswig-Hohlstein dieser statt und begründete dies unter Einbeziehung des BVerfG. Dieses hatte letztes Jahr in seinem Urteil bestimmt, dass nach §14 Abs.2 Satz 2 TzBfG die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes nicht zulässig ist, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Dennoch hatte die von der Beklagten eingelegte  Revision beim BAG Erfolg, welches bereits vor der Rechtsprechung des BVerfG die erneute sachgrundlose Befristung nach drei Jahren als zulässig erachtet. Im vorliegenden Fall verwies das BAG darauf, dass durch verfassungskonforme Auslegung der Anwendungsbereich des §14 Abs.2 Satz 2 TzBfG eingeschränkt werden müsse.

Bereits das BVerfG hatte eine solche Einschränkung für zulässig erachtet, falls die sachgrundlose Befristung für den Arbeitgeber unzumutbar ist, wie es nach Auffassung des BAG hier der Fall sei. Nach vergangenen 22 Jahren bestehe die Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung struktureller Unterlegenheit des Beschäftigten nicht mehr. 

Trotz fehlendem früheren Zusammenleben Trennungsunterhalt

Letzte Woche urteilte das OLG Frankfurt am Main über den Trennungsunterhalt im Falle einer von den Eltern arrangierten Ehe.

Für den Anspruch auf Trennungsunterhalt käme es nicht auf ein früheres Zusammenleben an und auch eine arrangierte Ehe stünde diesem nicht entgegen.

–  OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12.07.2019, Az. 4 UF 123/19

Die dem Urteil des OLG Frankfurt am Main zugrundeliegenden Fallkonstellationen

Die Antragstellerin verlangte von ihrem Mann nach dem Scheitern ihrer Ehe einen Trennungsunterhalt. Die von den Eltern arrangierte Ehe mit indischem kulturellen Hintergrund fand im August 2017 statt. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Frau, eine Bankangestellte, bei ihren Eltern, während der Mann in Paris als Wertpapierhändler tätig war. An Wochenenden trafen sich beide regelmäßig mit gemeinsamen Übernachtungen, doch ohne sexuellen Kontakt. Zwar besaßen sie gemeinsam auch kein Konto und verbrauchten ihre Einkünfte für eigene Zwecke, doch plante die Frau den Umzug nach Paris. Im August 2018 trennten sie sich. Die Scheidung steht noch aus, doch verlangte die Frau einen Trennungsunterhalt.

Urteil des OLG Frankfurt am Main

Das OLG entschied, dass der Anspruch auf Trennungsunterhalt weder voraussetze, dass die Beteiligten vor der Trennung zusammengezogen sind oder zusammen gelebt haben, noch dass es zu einer Verflechtung der wechselseitigen Lebenspositionen und zu einer inhaltlichen Verwirklichung der Lebensgemeinschaft gekommen sei. Während das Amtsgericht den Antrag abwies, erklärte das OLG diesen für zulässig und sprach der Antragstellerin den Anspruch auf Trennungsunterhalt zu. Eine lediglich formell bestehende Ehe mit verminderten Rechten gebe es nicht, weshalb auch die arrangierte Ehe dem Anspruch nicht entgegen stehe. Auch werde für den Unterhaltsanspruch nicht darauf abgestellt, ob das Ehepaar sich wirtschaftlich aufeinander eingestellt hätte. 

Zudem sei der Anspruch nicht verwirkt. Der Verwirkungsgrund der kurzen Ehe gelte in diesem Fall nicht, da die Eheschließung noch bis zur ausstehenden Scheidung fortdauere.

Letztlich hat das OLG Frankfurt am Main gegen den Beschluss eine Rechtsbeschwerde zum BGH im Hinblick auf eine abweichende Entscheidung des OLG Hamburg (Beschluss vom 30.01.2001 – 2 UF 17/00) zugelassen.

Der Versuch ein rollendes Auto aufzuhalten und die resultierende Haftungsverteilung

Anfang diesen Monats urteilte das OLG Köln über die Haftungsverteilung beim Versuch, ein rollendes Auto anzuhalten. Wer mit bloßer Muskelkraft versuche, ein bergab rollendes Auto aufzuhalten, trage Mitschuld an möglichen Verletzungen. Bei Anklage auf Schadensersatz müsse sich dieser ein erhebliches Eigenverschulden anrechnen lassen.

  • Urteil des OLG Köln vom 05.07.2019, Az. 6 U 234/18

Die dem Urteil des OLG Köln zugrundeliegende Fallkonstellation

Am Unfalltag parkte die Lebensgefährtin des Klägers ihr Automobil zunächst vor dem gemeinsamen Haus, während der Mann auf sie wartete. Nachdem sie ausstiegen war, unterhielt sich das Paar darüber, ob das Auto aufgrund der abschüssigen Straße umgeparkt werden sollte. Während des Gesprächs setzte sich das Auto in Bewegung und rollte die Straße rückwärts hinab.

Der Mann, mit Sandalen an den Füßen, lief daraufhin dem Fahrzeug hinterher und versuchte es durch das Drücken seiner Hände gegen das Heck des Fahrzeugs, mit alleiniger Hilfe seiner Muskelkraft, aufzuhalten. Aufgrund des hohen Fahrzeuggewichts wurde der Kläger jedoch vom Auto überrollt und etwa 20 Meter mitgeschliffen. Nachdem er reanimiert wurde und schwere Verletzungen erlitt, klagte er gegen die Haftpflichtversicherung seiner Lebensgefährtin. Er verlangte neben dem Schmerzensgeld und dem Schadensersatz die Feststellung des Bestehens einer Haftung für sämtliche zukünftige materielle und immaterielle Schäden.

Urteil des OLG Köln : Mitverschulden des Klägers

Vorinstanzlich urteile zunächst das Landgericht Köln über den Fall. Zwar wurde dem Mann ein Anspruch zugesprochen, dieses jedoch nur in Höhe von 30 Prozent. Ein Anspruch auf die restlichen 70 Prozent könne aufgrund des erheblichen Mitverschuldens des Mannes nicht bestehen.

Diesem Urteil folgte auch das OLG Köln und bestätigte die Entscheidung des LG Köln.

Aufgrund der fehlenden Sicherung des Autos vor dem Wegrollen habe, so das OLG Köln, die Lebensgefährtin die Verletzung des Mannes objektiv verursacht. Dennoch besitze der Kläger nicht den vollständigen Anspruch. Da er sich freiwillig und spontan ohne weiteres Nachdenken zum Rettungsversuch entschied, müsse ihm ein erhebliches Mitverschulden angerechnet werden. Er habe erkennen müssen, dass er das Auto nicht durch ein Entgegenstemmen hätte aufhalten können. Aufgrund der Augenblicksentscheidung könne der Anspruch dennoch nicht vollständig ausgeschlossen werden, weil ein Mensch in solchen Situation zu objektiv falschen Entscheidungen verleitet werde.

Nach einer heimlichen Aufnahme eines Personalgesprächs ist die fristlose Kündigung zulässig

Das hessische Landesarbeitsgericht urteilte über die Verletzungen des Persönlichkeitsrechts des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer mithilfe von Tonaufnahmen. 

Eine geheime Gesprächsaufnahme mit dem Smartphone, wie in dem zu beurteilenden Fall, stelle solch eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts dar. 

Der Arbeitnehmer dürfe aus diesem Grund wirksam fristlos gekündigt werden.

–  LAG Hessen, Urteil vom 23. August 2017, Aktenzeichen 6 Sa 137/17

Die dem Urteil des LAG Hessen zugrundeliegende Fallkonstellation

Ein mehr als 26 Jahre lang im öffentlichen Dienst tätiger Arbeitnehmer war aufgrund von tarifvertraglichen Vorschriften ordentlich unkündbar. Im November 2015 schickte er seinen Arbeitskollegen E-Mails, die Beschimpfungen wie „faule Mistkäfer“ und „Low Performer“ enthielten. Daraufhin erhielt er eine Abmahnung. Die zweite Abmahnung folgte im März 2016. Er hatte seine Kollegen erneut per E-Mail beleidigt und eine Kollegin bedroht. 

Neben einer Freistellung wurde er am 17.03.2016 zu einem Personalgespräch mit der Arbeitnehmerin, drei Führungskräften, einer Personalreferentin und einem Betriebsratsmitglied eingeladen.

Einige Monate danach erfuhr die Arbeitgeberin, dass der Arbeitnehmer das Gespräch heimlich aufgenommen hatte. Sie sprach daraufhin innerhalb der Zweiwochenfrist des § 626 Abs.2 BGB und nach vorheriger Anhörung des Betriebsrats eine außerordentliche und fristlose, hilfsweise eine außerordentliche Kündigung mit einer Auslaufrist von sechs Monaten zum Quartalsende aus.

Der Arbeitnehmer behauptete im Kündigungsrechtsstreit, er habe nicht gewusst, dass eine Ton-Aufnahme verboten sei und reichte eine Kündigungsschutzklage ein. Sein Handy habe lediglich offen auf dem Tisch gelegen. 

Urteil des LAG Hessen : Fristlose Kündigung zulässig

Weder das vorinstanzliche Arbeitsgericht Frankfurt noch das Landesarbeitsgericht Hessen gaben dem Arbeitnehmer Recht und ließen seine Argumentation gelten. Vielmehr sei die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers abzuweisen, da er mit einer heimlichen Gesprächsaufnahme das allgemeine Persönlichkeitsrecht der anwesenden Gesprächspartner verletzt habe.

Nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 2 Grundgesetz sei das Recht am gesprochenen Wort zu schützen. Jeder Gesprächspartner könne selbst entscheiden, an wen seine Äußerung gerichtet sei.

In diesem Fall sei, trotz der 25-jährigen Beschäftigung des Arbeitnehmers im Unternehmen, das Interesse des Arbeitgebers vorrangig. Der Kläger habe das Beschäftigungsverhältnis ohnehin mit den Beleidigungen in den E-Mails beeinträchtigt und hätte, so das LAG Hessen, auf seine Aufnahme hinweisen müssen.