Keine Anerkennung einer Adoption im Ausland ohne Anwesenheit des Vaters

Ende letzten Jahres entschied das OLG Frankfurt über die Anerkennung einer Adoption in Afrika seitens einer Frau, ohne dass ihr Mann vor Ort anwesend war.

Das Gericht entschied, dass eine solche Adoption den Grundsätzen kindeswohlorientierter Verfahren widerspräche und lehnte die Anerkennung ab. Erforderlich sei ein neues Adoptionsverfahren.

  OLG Frankfurt; Beschluss vom 24.9.2019, Az. 1 UF 93/18

Die dem Urteil des OLG Frankfurt  zugrundeliegende Fallkonstellation

Auf ihrer Reise in einem westafrikanischem Staat nahm eine Frau ein neugeborenes Mädchen auf. Der biologische Vater hatte der Sorgerechtsübertragung zugestimmt und zudem erklärt, dass die Mutter kurz nach der Geburt verstorben sei. Aufgrund dessen entschied der High Court des Landes, dass das Ehepaar das Mädchen adoptieren dürfe. Der Mann der Frau war jedoch nicht vor Ort und hatte das Kind nie zuvor zu Gesicht bekommen. Nachdem sie mit dem Kind in Deutschland ankam, wollten die Eheleute die Entscheidung des afrikanischen Gerichts anerkennen lassen.

OLG Frankfurt: Widerspruch zur deutschen Rechtsordnung  

Der vorinstanzlichen Entscheidung des Amtsgerichts gleichend, entschied das OLG Frankfurt, dass das Urteil des High Courts in Afrika nicht mit dem ordre public international vereinbar sei.

Die Anwendung des ausländischen Rechts stehe im konkreten Fall, so das OLG Frankfurt, mit dem Grundgedanken der deutschen Regelung und den darin enthaltenen Vorstellungen der Gerechtigkeit in starkem Widerspruch. Insbesondere in den Fällen einer Adoption sei es von enormer Wichtigkeit, dass die Entscheidung an das Wohl des Kindes ausgerichtet sei. Hierzu müsse die Eignung der annehmenden Eltern anhand einer konkreten Überprüfung formaler Kriterien wie der finanziellen Sicherheit und darüber hinausgehender Aspekte wie dem persönlichen Verhältnis zum nicht eigenen Kind bestimmt werden.

All dies sei vom High Court nicht geprüft worden, weshalb starke Abweichungen zum deutschen Recht vorlägen. Folglich könne von einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht ausgegangen werden.

Eine Behebung der Verfahrensmängel durch ein Anerkenntnisverfahren käme auch nicht in Betracht.

Das OLG Frankfurt betonte zudem, dass es im Interesse eines jeden Kindes stünde, dass Adoptionen in einem rechtsstaatlichen und kindeswohlorientierten Verfahren erfolge.

Die Rechtsbeschwerde zum BGH hat der Senat zugelassen.

Namensänderung eines Kindes ohne Erlaubnis des Vaters

Anfang letzten Monats urteilte das OLG Frankfurt über die Umbenennung eines Kindes trotz Widerspruch des Vaters.

Willige ein geschiedenes Elternteil der Umbenennung des gemeinsamen Kindes nicht ein, könne das Gericht, sofern es insbesondere zum Wohl des Kindes erforderlich sei, die Einwilligung ersetzen. 

  OLG Frankfurt; Beschluss vom 18.12.2019, Az. 1 UF 140/19

Die dem Urteil des OLG Frankfurt zugrundeliegende Fallkonstellation

Die Beteiligten, ein ehemals verheiratetes Paar, sind Eltern einer gemeinsam Tochter. Seit der Scheidung im Jahr 2010 pflegte der Vater zunehmend weniger Kontakt zu seiner Tochter und brach diesen 2014 gänzlich ab.  

Die Mutter heiratete erneut und trägt seither den Familiennamen ihres zweiten Ehemannes, zusammen mit der gemeinsamen Tochter aus der zweiten Ehe. 

Auf den Wunsch, dass auch ihre erste Tochter den Familiennamen ihres neuen Partners annimmt, entgegnete der biologische Vater des Kindes mit Widerspruch und willigte dem nicht ein.

Die Mutter legte daraufhin Beschwerde beim OLG Frankfurt ein.

OLG Frankfurt: Gerichtliche Ersetzung der Einwilligung des Vaters möglich

Nach § 1618 S.4 des Bürgerlichen Gesetzbuches ist die Voraussetzung für eine Namensänderung die Erforderlichkeit der Umbenennung zum Wohle des Kindes. Die Erforderlichkeit sei, so das OLG Frankfurt, nach dem Kriterium, ob die Aufrechterhaltung eines Namensbandes zum anderen Elternteil nicht zumutbar erscheine, zu beurteilen.

Das OLG Frankfurt bejahte in dieser Hinsicht die Erforderlichkeit der Namensänderung. Zwar befinde sich der Vater des Kindes in einer schweren Lebenssituation und der Name stelle eine wesentliche Verbindung zur Tochter dar, doch habe er schon seit längerer Zeit keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt. Zudem sei es für das Mädchen eine Belastung, einen anderen Namen als den ihrer Mutter und Halbschwester zu tragen. Auch wünschte sich das Kind selbst die Umbenennung, was ein wichtiger Faktor in der Abwägung des Gerichts darstellte. Die persönlichkeitsrechtliche Komponente eines Namens spreche, in Hinblick auf den Willen des Mädchens, für die Ersetzung der nicht erfolgten Einwilligung des Vaters.

Der BGH hatte im Jahr 2005 bezüglich der Erforderlichkeit der Umbenennung des Kindes ein anderes Abgrenzungskriterium als das des OLG Frankfurt entwickelt. Der BGH zog die Namensänderung erst in Betracht, wenn konkrete Umstände für eine Kindeswohlgefährdung vorlägen. 

In Hinblick auf diese abweichende Rechtsprechung hat der Senat die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.

Wohnungsbesichtigung: Vermieter darf keine beliebigen Dritten mitbringen

Das LG Nürnberg-Fürth urteilte über die Besichtigungsrechte des Vermieters. Ein Vermieter dürfe eine Mietwohnung zur Besichtigung nicht mit einer beliebigen dritten Person betreten. Das Besichtigungsrecht des Vermieters müsse im Interesse des Mieters, so das LG Nürnberg-Fürth, schonend ausgeübt werden.

  LG Nürnberg-Fürth, Pressemitteilung vom 16.09.2019 zum Beschl. v. 18.06.2019, Az.7 S8432/17

Die dem Urteil des LG Nürnberg-Fürth zugrundeliegende Fallkonstellation 

Der Kläger, Vermieter eines Reihenmittelhauses, hatte das Mietverhältnis fristlos gekündigt. Der Mieter habe, nach eigener Aussage, ihm gegenüber wiederholt und unbegründet Mängelanzeigen gemacht. Durch eine derartige Schikane sei die Fortsetzung des Mietverhältnisses für ihn unzumutbar gewesen. Auch habe ihm der Mieter verweigert, das vermietete Objekt mit anderen Zeugen zu besichtigen. Nach der ausgesprochenen Kündigung erhob der Kläger zudem erfolglos Räumungsklage vor dem Amtsgericht in Erlangen.

Urteil des LG: Vermieter darf Wohnung nicht mit einer beliebigen dritten Person betreten 

Die vorinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts Erlangen bestätigte das LG Nürnberg-Fürth und wies die Berufung des Vermieters zurück. 

Ein Kündigungsgrund liege nicht vor, da im Hinblick auf den geltend gemachten Kündigungsgrund, einem mitgebrachten Zeugen sei der Zutritt zur Wohnung verwehrt worden, ein Vermieter grundsätzlich vom Mieter verlangen könne, unter bestimmten Voraussetzungen die Mieträume zum Zwecke der Besichtigung zu betreten. Hierzu bedürfe es eines besonderen Anlasses, welcher insbesondere dann gegeben sei, wenn es darum gehe, Schäden oder Gefährdungen zu überprüfen. Der Vermieter könne grundsätzlich, so das LG, hierfür eine fachkundige Person wie Handwerker oder Sachverständiger mitbringen, jedoch keinen sachunkundigen Dritten. 

Der Mieter habe nach Art. 13 GG den Anspruch auf die Unverletzlichkeit der Wohnung. Aus diesem Grund sei eine Besichtigung erst dann gerechtfertigt, wenn sie effektiv durch Fachkundige durchgeführt und weitere Besichtigungstermine vermieden werden.

Letztlich müsse das Besichtigungsrecht des Vermieters im Interesse des Mieters an der Unverletzlichkeit der Wohnung schonend ausgeübt werden, was im vorliegenden Fall nicht anzunehmen sei. 

Eine im EU-Ausland geschlossene Minderjährigenehe wurde nicht aufgehoben

Vergangene Woche urteilte das OLG Frankfurt am Main, ob eine im EU-Ausland geschlossene Minderjährigenehe nach deutschem Recht aufgehoben werden kann.

Die Aufhebung sei aufgrund der schweren Härte, die aus der Verletzung der Rechte beider Ehepartner auf Freizügigkeit innerhalb der EU resultierenden würde, nicht möglich.

–  OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.07.19, Az. 5 UF 97/19

Die dem Urteil des OLG Frankfurt am Main zugrundeliegenden Fallkonstellationen

Die Antragsgegner, ein Ehepaar, sind bulgarische Staatsangehörige. Die Ehefrau, welche mit bereits 15 Jahren ihr erstes Kind gebar, heiratete im Frühjahr 2018, mit 17 Jahren ihren Ehemann. Seit Sommer 2018 leben beide in Deutschland. Zudem erwartet die Frau aktuell ihr zweites Kind.

Die zuständige Behörde des Landes Hessen beantragte diesbezüglich, die nach bulgarischem Recht wirksam geschlossene Ehe aufzuheben. Die Antragsgegnerin sei zum Zeitpunkt der Ehe minderjährig und nicht ehemündig gewesen. 

Zudem wurde seit Mitte des letzten Jahres ein Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen erlassen. Nach diesen Vorgaben ist eine Ehe, die unter der Beteiligung eines Minderjährigen geschlossen wurde, grundsätzlich aufzuheben. Dennoch wurden Ausnahmetatbestände definiert, die die Aufhebung ausschließen. Die Ehe kann etwa bestehen bleiben, wenn andernfalls eine schwere Härte angenommen werden kann.

Urteil des OLG Frankfurt am Main

Das  OLG Frankfurt am Main lehnte den Antrag ab, da die Voraussetzungen für die Aufhebung der Ehe nicht vorliegend seien. Auch sei die Ehe nach dem maßgeblichen bulgarischen Recht wirksam geschlossen worden. Bulgarien nimmt die Ehemündigkeit zwar auch erst ab dem 18.Lebensjahr an, erlaubt die Heirat jedoch auch ab dem 16. Lebensjahren, falls eines der sogenannten Rayonsrichter die Eheschließung genehmigt. 

Das OLG Frankfurt erklärte, dass eine allgemeine Aufhebung von Minderjährigenehen nach ausländischem Recht möglich sei, wenn diese nicht aufgrund der außergewöhnlichen Umstände eine so schwere Härte für den minderjährigen Ehegatten darstelle, dass die Aufrechterhaltung der Ehe gebeten erscheint.

Im vorliegen Fall sei eine eben solche Härte anzunehmen. Eine im Ausland nach dem Recht des Landes, dessen Staatsbürger sie sind, wirksame Heirat, in einem anderen Land aufgrund der dort national geltenden Bestimmungen aufzuheben, behindere die Betroffenen in ihrer Freizügigkeit und verstoße gegen das Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit und Aufenthalt.

Zudem sei die minderjährige Ehefrau nicht in dem Maße schützwürdig, wie es der Gesetzgeber bei Inkraftsetzung des Gesetzes zur Aufhebung von Kinderehen im Juli 2017 vor Augen hatte. Weder das Jugendamt noch die Angehörigen hätten, so das OLG Franfurt, ermitteln können, dass die Ehefrau sich der Tragweite einer Ehe nicht bewusst gewesen sei. Zudem habe die Frau selbst gewollt, dass die Ehe erhalten bleibt. 

Ähnlicher Fall des Amtsgerichts Nordhorn

Ein vergleichbarer Fall lag dem Amtsgericht Nordhorn, in der Kreisstadt des Landkreises Grafschaft Bentheim, vor. Dieser hatte ähnlich über die Aufhebung einer in Rumänien geschlossenen Minderjährigenehe zu beurteilen hatte. Auch hier wurde die Aufhebung abgelehnt und auf die Verletzung der Freizügigkeit des EU-Bürgers verwiesen.

Trotz fehlendem früheren Zusammenleben Trennungsunterhalt

Letzte Woche urteilte das OLG Frankfurt am Main über den Trennungsunterhalt im Falle einer von den Eltern arrangierten Ehe.

Für den Anspruch auf Trennungsunterhalt käme es nicht auf ein früheres Zusammenleben an und auch eine arrangierte Ehe stünde diesem nicht entgegen.

–  OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12.07.2019, Az. 4 UF 123/19

Die dem Urteil des OLG Frankfurt am Main zugrundeliegenden Fallkonstellationen

Die Antragstellerin verlangte von ihrem Mann nach dem Scheitern ihrer Ehe einen Trennungsunterhalt. Die von den Eltern arrangierte Ehe mit indischem kulturellen Hintergrund fand im August 2017 statt. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Frau, eine Bankangestellte, bei ihren Eltern, während der Mann in Paris als Wertpapierhändler tätig war. An Wochenenden trafen sich beide regelmäßig mit gemeinsamen Übernachtungen, doch ohne sexuellen Kontakt. Zwar besaßen sie gemeinsam auch kein Konto und verbrauchten ihre Einkünfte für eigene Zwecke, doch plante die Frau den Umzug nach Paris. Im August 2018 trennten sie sich. Die Scheidung steht noch aus, doch verlangte die Frau einen Trennungsunterhalt.

Urteil des OLG Frankfurt am Main

Das OLG entschied, dass der Anspruch auf Trennungsunterhalt weder voraussetze, dass die Beteiligten vor der Trennung zusammengezogen sind oder zusammen gelebt haben, noch dass es zu einer Verflechtung der wechselseitigen Lebenspositionen und zu einer inhaltlichen Verwirklichung der Lebensgemeinschaft gekommen sei. Während das Amtsgericht den Antrag abwies, erklärte das OLG diesen für zulässig und sprach der Antragstellerin den Anspruch auf Trennungsunterhalt zu. Eine lediglich formell bestehende Ehe mit verminderten Rechten gebe es nicht, weshalb auch die arrangierte Ehe dem Anspruch nicht entgegen stehe. Auch werde für den Unterhaltsanspruch nicht darauf abgestellt, ob das Ehepaar sich wirtschaftlich aufeinander eingestellt hätte. 

Zudem sei der Anspruch nicht verwirkt. Der Verwirkungsgrund der kurzen Ehe gelte in diesem Fall nicht, da die Eheschließung noch bis zur ausstehenden Scheidung fortdauere.

Letztlich hat das OLG Frankfurt am Main gegen den Beschluss eine Rechtsbeschwerde zum BGH im Hinblick auf eine abweichende Entscheidung des OLG Hamburg (Beschluss vom 30.01.2001 – 2 UF 17/00) zugelassen.

Der Versuch ein rollendes Auto aufzuhalten und die resultierende Haftungsverteilung

Anfang diesen Monats urteilte das OLG Köln über die Haftungsverteilung beim Versuch, ein rollendes Auto anzuhalten. Wer mit bloßer Muskelkraft versuche, ein bergab rollendes Auto aufzuhalten, trage Mitschuld an möglichen Verletzungen. Bei Anklage auf Schadensersatz müsse sich dieser ein erhebliches Eigenverschulden anrechnen lassen.

  • Urteil des OLG Köln vom 05.07.2019, Az. 6 U 234/18

Die dem Urteil des OLG Köln zugrundeliegende Fallkonstellation

Am Unfalltag parkte die Lebensgefährtin des Klägers ihr Automobil zunächst vor dem gemeinsamen Haus, während der Mann auf sie wartete. Nachdem sie ausstiegen war, unterhielt sich das Paar darüber, ob das Auto aufgrund der abschüssigen Straße umgeparkt werden sollte. Während des Gesprächs setzte sich das Auto in Bewegung und rollte die Straße rückwärts hinab.

Der Mann, mit Sandalen an den Füßen, lief daraufhin dem Fahrzeug hinterher und versuchte es durch das Drücken seiner Hände gegen das Heck des Fahrzeugs, mit alleiniger Hilfe seiner Muskelkraft, aufzuhalten. Aufgrund des hohen Fahrzeuggewichts wurde der Kläger jedoch vom Auto überrollt und etwa 20 Meter mitgeschliffen. Nachdem er reanimiert wurde und schwere Verletzungen erlitt, klagte er gegen die Haftpflichtversicherung seiner Lebensgefährtin. Er verlangte neben dem Schmerzensgeld und dem Schadensersatz die Feststellung des Bestehens einer Haftung für sämtliche zukünftige materielle und immaterielle Schäden.

Urteil des OLG Köln : Mitverschulden des Klägers

Vorinstanzlich urteile zunächst das Landgericht Köln über den Fall. Zwar wurde dem Mann ein Anspruch zugesprochen, dieses jedoch nur in Höhe von 30 Prozent. Ein Anspruch auf die restlichen 70 Prozent könne aufgrund des erheblichen Mitverschuldens des Mannes nicht bestehen.

Diesem Urteil folgte auch das OLG Köln und bestätigte die Entscheidung des LG Köln.

Aufgrund der fehlenden Sicherung des Autos vor dem Wegrollen habe, so das OLG Köln, die Lebensgefährtin die Verletzung des Mannes objektiv verursacht. Dennoch besitze der Kläger nicht den vollständigen Anspruch. Da er sich freiwillig und spontan ohne weiteres Nachdenken zum Rettungsversuch entschied, müsse ihm ein erhebliches Mitverschulden angerechnet werden. Er habe erkennen müssen, dass er das Auto nicht durch ein Entgegenstemmen hätte aufhalten können. Aufgrund der Augenblicksentscheidung könne der Anspruch dennoch nicht vollständig ausgeschlossen werden, weil ein Mensch in solchen Situation zu objektiv falschen Entscheidungen verleitet werde.

Das alleinige Halten des Handys am Steuer ist erlaubt

Das OLG Celle urteilte über das Verbot von Mobiltelefonen während der Autofahrt.

Ein Fahrer dürfe, ohne gegen das Handyverbot zu verstoßen, sein Mobiltelefon in der Hand halten.

–  OLG Celle, Beschluss vom 07.02.2019; Az.: 3 Ss (OWi) 8/19 

Die dem Urteil des OLG Celle zugrundeliegende Fallkonstellation

Ein Autofahrer wurde während der Fahrt auf einer Straße innerorts angehalten. Die Beamten, welche auf Polizeistreife waren, hatten diesen mit einem Mobiltelefon in seiner Hand am Steuer des Fahrzeugs gesehen. Dem Fahrer wurde ein Bußgeldbescheid von 100 Euro erlassen, gegen welchen er Einspruch einlegte. Schließlich habe er, so der Kläger, das Handy nicht benutzt sondern lediglich gehalten.

Das Urteil des OLG Celle : Alleiniges Halten des Handys ist erlaubt

Das Handyverbot am Steuer ist gesetzlich in der Straßenverkehrsordnung geregelt. Die in diesem Fall maßgebliche Norm ist § 23 Abs. 1a StVO, welche vom Amtsgericht der ersten Instanz anders ausgelegt als vom OLG Celle. Während ersteres durch das Aufnehmen eines elektronischen Geräts einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1 a StVO begründete, erklärte das OLG Celle das Halten des Mobiltelefon für erlaubt und zulässig.

Die Norm regle, unter welchem Umständen die Benutzung eines elektronischen Geräts während der Fahrt nicht erlaubt sei und verbiete die Handynutzung aus diesem Zweck. Falls das Element der Benutzung fehle, so das OLG Celle, unterfalle das alleinige Halten nicht dem Verbot. Um gegen die Norm zu verstoßen, müsse der Gebrauch einer Bedienfunktion des Geräts vorliegen.

Andere Entscheidungen in ähnlichen Fällen 

Nach einer ähnlichen Entscheidung des OLG Hamm ist die Handynutzung auch dann verboten, wenn sich in dem Gerät keine SIM-Karte befindet. Der Fahrer hatte auch in diesem Fall das Handy in der Hand, spielte jedoch zusätzlich Musik ab.  Das OLG Hamm erklärte, es komme nicht darauf an, ob eine SIM-Karte vorhanden sei oder nicht. Vielmehr sei ausschlaggebend, dass der Fahrer sein Handy nutze.

Nach einer anderen Entscheidung des AG Landshut im Jahr 2017 ist es erlaubt, das Mobiltelefon während der Fahrt aufzunehmen, um es im Fahrzeug in eine Ladeschale zu stecken.

Sowohl diese beiden Entscheidungen als auch das Urteil des OLG Celle verdeutlichen, dass vor allem die Nutzung des Mobiltelefon ausschlaggebend ist. Ein Fahrer, der sich am Steuer nicht an den Nutzungsmöglichkeiten des Handy bedient, sondern es lediglich in der Hand hält oder anders platziert, hat nach Rechtsprechung keine Strafe zu befürchten.

Ausgepackte Matratzen können an Online-Händler zurückgeschickt werden

Vergangenen Mittwoch urteilte der BGH über eine mögliche Rücksendung einer online erworbenen und bereits von der Schutzfolie entfernten Matratze.

Da ein Matratzenkauf dem Kauf eines Kleidungsstückes gleiche, so die Karlsruher Richter, verliere der Käufer sein Widerrufsrecht nicht.

  • BGH vom 03.07.19, Az. VIII ZR 194/16

Die dem Urteil des BGH zugrundeliegenden Fallkonstellationen

Der Kläger, ein Kunde aus Rheinland-Pfalz, hatte im Internet eine Matratze bestellt. Er wollte diese  nicht behalten und zurückschicken, hatte jedoch bereits die Schutzfolie der Matratze entfernt. Auf eine E-Mail mit der Bitte, die Matratze abzuholen, reagierte der Verkäufer nicht. Stattdessen verweigerte dieser die Rücknahme und die Erstattung des Kaufpreises und der Speditionskosten in Höhe von etwa 1200 Euro.

Schließlich sei die Matratze, so der Händler, ein Hygieneartikel gewesen.

Die grundsätzliche Regelung für die Rücksendung von Online-Bestellungen

Eine im Internet erworbene Ware kann gemäß §§ 312g Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB innerhalb von 14 Tagen zurückgeschickt werden. 

Für dieses Widerrufsrecht gibt es Ausnahmen, wie etwa bei versiegelten Waren, die nach §§ 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB „aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde“. 

Beispielhaft gehören zu dieser Art von Produkten Zahnbürsten und Lippenstifte.

Der Onlinehändler hatte in seinen AGB jedoch auch die Matratze als einen Hygieneartikel eingestuft. Fraglich ist, ob eine Matratze rechtens als versiegelte Ware definiert werden kann und das Widerrufsrecht des Käufers entfällt.

Der Fall wurde zunächst vor dem Amtsgericht Mainz angehört und erreichte den EuGH. Dessen Entscheidung wurde von den Richtern des BGH in Deutschland umgesetzt.

Die Vorentscheidung des EuGH : Matratze ist mit Kleidung zu vergleichen 

Bevor der BGH sein Urteil aussprach, wandten sich die Karlsruher Richter an den EuGH.

Dieser entschied, dass eine Matratze nicht als Hygieneartikel und versiegelte Ware deklariert werden könne.

Stattdessen könne eine Parallele zum Kleidungskauf gezogen werde, bei welchem der Käufer selbst nach einer Anprobe sein Widerrufsrecht nicht verliert. Beide Artikel könnten, so der EuGH, bei Rückgabe vom Händler gereinigt, desinfiziert und weiterverkauft werden.

Die Richter zogen zudem einen Vergleich zu Hotelbetten, die von mehreren Hotelgästen nacheinander genutzt werden. Der EuGH betonte zudem, dass der Käufer dennoch das Ausprobieren vor der Rücksendung der Ware nicht übertreiben dürfe, wie etwa mit dem Tragen bestellter Schuhe für einige Tage.

Urteil des BGH: Widerrufsrecht des Käufers entfällt nicht

Der BGH stütze sich auf die Vorentscheidung des EuGH und erklärte, dass die Ausnahmeregelung für die Rückgabe von online erworbenen Artikeln nach §§ 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB lediglich für Produkte gedacht sei, die nicht mehr „verkehrsfähig“ oder unter „unverhältnismäßiger Schwierigkeit“ wieder verkehrsfähig gemacht werden könnten. 

Auf eine Matratze ohne Schutzfolie treffe diese Ausnahmeregelung nicht zu.

Dem Kläger wurde der Kaufpreis zurückerstattet.

Mieter in einer WG darf bei ungenehmigter Videoüberwachung fristlos kündigen

Ende vergangenen Monats urteilte das AG München über die Videoüberwachung in einer Wohngemeinschaft. Wer als Vermieter eine Kamera im Flur der Wohnung installiert, um seine Mieter zu überwachen, könne nicht deren Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist erwarten. Stattdessen dürfe, so das AG München, der Mieter außerordentlichen kündigen und die Zahlung der Miete sofort einstellen. 

–  AG München, Urteil vom 28.05.2019, Az. 432 C 2881/19

Die dem Urteil des AG München zugrundeliegende Fallkonstellation

Der Hauptmieter und zugleich Kläger, betrieb in einer Wohnung lediglich ein Büro. Alle anderen Zimmer, größtenteils vollständig möbliert, vermietete er an Untermieter. Darunter beispielsweise ein 20 m² großes Zimmer gegen eine monatlichen Miete von 810 € zuzüglich 40 € Betriebskostenvorauszahlung und einer Kaution von 1920 €.

Aus Sicherheitsgründen enthielt der Untermietvertrag eine Klausel, die die Installierung einer Kamera vor der Wohnungstür erlaubte. Diese Videokamera wurde jedoch nicht wie vereinbart an der definierten Stelle angebracht. Sie befand sich direkt vor der Zimmertür eines Untermieters und erfasste aus dieser Perspektive den gesamten Wohnflur. 

Nach Vereinbarung war es zudem die Aufgabe des Untermieters, Brotkörner am Boden, Müll aus der Küche und Kaffeeflecken in den Wohnräumen zu entfernen.

Der Kläger begründete den Standpunkt der Kamera damit, dass Zimmertüren streng genommen auch Wohnungstüren seien. Zudem sei die Kamera notwendig, um überprüfen zu können, ob der Untermieter seinen Aufgaben zur Säuberung des Hauses nachkomme und die Wohnungstür abschließe.

Der Beklagte kündigte nach vier Monaten das Mietverhältnis fristlos und zahlte keine Miete mehr. Eine fristlose Kündigung sei, so der Kläger, nicht zulässig. Auch müsse der Untermieter seine restliche Miete zahlen.

Urteil des AG München : Bei Videoüberwachung darf fristlos gekündigt werden

Der Richter am AG München gab dem Untermieter Recht und erklärte die fristlose Kündigung für wirksam. Vom Untermieter könne nicht erwartet werden, dass er die ordentliche Kündigungsfrist bei solch einer Form von Videoüberwachung abwarte. Die Anbringung der Kamera an der Zimmertür des Beklagten könne nicht tragfähig begründet werden. Die Klausel im Untermietvertrag definiere konkret die Anbringung einer Kamera „im Freien vor der Haustür“. 

Die zusätzliche Aufzeichnung des Wohnflurs, welche zum Badezimmer führt, sei weitaus verheerender. Nach realitätsnaher Betrachtung könne davon ausgegangen werden, dass das Badezimmer nicht immer vollbekleidet aufgesucht wird. Dies müsse nicht hingenommen werden und stelle einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar. Zudem sei es unstreitig, dass die Kameraaufzeichnungen vom Mieter regelmäßig ausgewertet wurden.

Die mögliche Kontrolle, ob die Wohnungstür abgeschlossen wurde, könne hingegen durchaus dem Schutze der Untermieter dienen. Dennoch wiege es dein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nicht ansatzweise auf.

Das Gericht sprach dem Kläger letztlich lediglich die zeitanteilige Miete für drei Tage bis zum zugestandenen Zugang der Kündigungserklärung zu.

Für Unfallfolgen wird auch nach Tagen weiterhin gehaftet

Der BGH urteilte Ende vergangenen Monats über die Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG. Diese greife auch bei Schäden mit einer zeitlichen Verzögerung von eineinhalb Tagen ein. 

  • Urteil vom 26.03.2019; Az. VI ZR 236/18

Die dem Urteil des BGH zugrundeliegende Fallkonstellation

Der Halter eines Mercedes, als Gebäudeversicherer tätig, wurde in einen Unfall verwickelt. Das erheblich beschädigte Automobil wurde zunächst auf das Gelände eines Abschleppdienstes gebracht. Nachdem es einen Tag dort verweilte, wurde das Fahrzeug in eine Werkstatt geschleppt. Der zuständige Mitarbeiter hatte den Schlüssel zwar sofort abgezogen, aber das Abklemmen der Batterie vergessen. Da zudem durch den Unfall eine mechanische Einwirkung die elektrischen Leiter des Autos beschädigt hatte, kam es zum Kurzschluss. Der große Brand in der Werkstattgarage hatte auch zu Brandschäden an den benachbarten Wohnhäusern zur Folge.

Der Halter des Fahrzeugs verklagte den Kfz-Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz aus Halterhaftung.

Die Halterhaftung und die vorinstanzliche Entscheidung des OLG Celle

Die Halterhaftung ist in § 7 des StVG normiert. Der Halter ist zur Erbringung des Schadensersatzes verpflichtet, wenn „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird”.

Fraglich ist, wie genau die Formulierung „bei dem Betrieb“ auszulegen ist.

Nach der Entscheidung des OLG Celle stand dem Gebäudeversicherer kein Schadensersatzanspruch aus § 7 Abs. 1 StVG zu. Zwischen dem Brandschaden und dem „Betrieb“ sei kein Zurechnungszusammenhang feststellbar, da dieser bei der endgültigen Sicherung des Fahrzeuges unterbrochen werde. Zudem sei der Schaden durch einen Dritten entstanden.

Die Entscheidung des BGH : Schaffung einer Gefahrensituation im KFZ-Betrieb

Das Urteil des OLG Celle wurde vom BGH aufgehoben und zur neuen Verhandlung zurückverwiesen. Zwischen der vom Fahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr und dem Brandschaden bestehe durchaus ein Zurechnungszusammenhang. Der Kurzschluss sei die Folge des Unfalls und habe die schadenursächliche Gefahrensituation geschaffen. 

Die zeitliche Verzögerung von eineinhalb Tagen sei nicht ausschlaggebend und ändere die Sachlage nicht.

Der BGH erklärte zudem, dass durch das sorgfaltswidrige Verhalten des Werkstattmitarbeiters der Zurechnungszusammenhang nicht verneint werden könne. Lediglich beim Mitverschulden sei das Verhalten des Dritten mit einzubeziehen.

Ausstehendes Urteil des EuGH in einem ähnlichen Fall

Ähnliche Maßstäbe seien, so der Generalanwalt des EuGH, auch im Europarecht auffindbar. In einem ähnlichen Fall wurde vorgeschlagen, den Begriff der „Verwendung eines Fahrzeugs“ innerhalb der KFZ-Hauptpflichtversicherung, enger auszulegen. Der Ausdruck solle auch Fälle erfassen, in welchen ein mehr als 24 Stunden in einer Privatgarage abgestelltes Fahrzeug ohne äußere Einflüsse zu brennen beginne. Das Urteil diesbezüglich steht bisher noch aus.