Neues Urteil zu Unterhaltsansprüchen

Anfang letzten Monats urteilte das OLG Frankfurt über Unterhaltsansprüche im Falle einer neuen Partnerschaft der geschiedenen Frau. Diese kann den Verlust von Unterhaltsansprüchen bedeuten. Für die Entscheidung, ob die Ansprüche verfallen, sei nach dem OLG zwischen vorliegender oder fehlender Eheschließung zu differenzieren.

–  OLG Frankfurt; Beschluss vom 03.05.2019, Az. 2 UF 273/17

Verlust des Anspruchs auf Unterhalt durch neue Partnerschaft 

Eine unverheiratete Mutter besitzt gemäß § 1615 I BGB gegen den Vater des Kindes Unterhaltsansprüche für die Zeit nach der Geburt. Bleibt die Frau nach der Geburt zur Kinderbetreuung zuhause, bestehen die Ansprüche für weitere drei Jahre. Für geschiedene Ehegatten gelten etwa deckungsgleiche Regelungen.

Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass im Falle der Scheidung die ehemalige Ehefrau durch einen neuen Partner die Unterhaltsansprüche verlieren kann. Befindet sich die Frau in einer neuen „verfestigten Lebensgemeinschaft“, ist der Vaters nach § 1579 Nr. 2 BGB zu keiner Zahlung verpflichtet.

Die Regelung bezieht sich konkret auf verheiratete Paare zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes. Fraglich ist, inwiefern und ob die Zahlungspflichten verfallen, wenn die Mutter des Kindes mit dem Vater nicht verheiratet gewesen ist.

Die dem OLG Frankfurt vorliegende Fallkonstellationen

Eine Bankangestellte und Mutter hatte sich vor der Geburt ihres Kindes von dem Vater getrennt und die Betreuung übernommen. Sie stieg nach der Elternzeit erst teilweise, nach der Geburt ihres zweiten Kindes vollzeitig in das Berufsleben ein. Die Angestellte verdiente etwa 2.800 Euro netto vor der Geburt, wobei dieser Wert durch ihr Kind deutlich sank. Deshalb forderte sie vom Kindesvater, welcher fast doppelt so viel verdiente, Unterhalt für das gemeinsame Kind. Er hatte bisher zwar Unterhalt gezahlt, kürzte diesen jedoch mit dem Ablauf der Elternzeit. Die Mutter war der Ansicht, die Kürzung des Unterhalts sei nicht legitim und man könne ihre Einkünfte bei der Berechnung des Unterhaltsanspruchs nicht ganz anrechnen. Schließlich könne von ihr nicht erwartet werten, dass sie bereits nach dem dritten Lebensjahr ihres Kindes arbeiten geht. Der Vater teilte diese Ansicht nicht und führte an, sie habe doch auch einen neuen Lebenspartner gefunden und lebe bereits mit diesem zusammen.

Die Entscheidung des OLG : Regelungen zum Verlust von Unterhaltsansprüchen sind nicht auf unverheiratete Paare anzuwenden

Während die Unterhaltsansprüche gemäß § 1579 Nr.2 BGB verfallen können, falls die Eltern des Kindes zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet sind, sei in diesem Fall die Anwendung der Norm nicht möglich. Die Regelung sei nicht auf unverheiratete Ehepaare zu übertragen, da die Gesetzgeber die Unterhaltsansprüche bewusst in mehreren Punkten uneinheitlich belassen hätten. Auf die analoge Anwendung und die Angleichung der Regelung wurde seitens OLG verzichtet. Demnach behielt die Mutter Recht. Nach den ersten drei Jahren sei die Anrechnung der Einkünfte nach § 1615 I BGB lediglich begrenzt möglich.

BGH spricht sich für eine Angleichung aus 

In vergangener Zeit hatte sich der BGH über eine mögliche Angleichung der Normen für verheiratete und nicht verheiratete Partner ausgesprochen. Das OLG hingegen widersprach der Ansicht des BGH und verneinte die Ähnlichkeit einer bloßen Partnerschaft mit der Ehe. Der Hauptgedanke der Regelung des § 1615 BGB, so das OLG, sei die eheliche Solidarität. Durch eine neue Partnerschaft, nachdem man auch zuvor nicht verheiratet gewesen war, könne der Bruch ehelicher Solidarität erst gar nicht entstehen. Die Unterhalt sei vom Vater demnach weiterhin zu leisten.

Neues Urteil des BGH zur Kündigung wegen Eigenbedarfs

Die Anzahl an Eigenbedarfskündigungen nimmt immer mehr zu. Die Frage, wann ein Eigenbedarf vorliegt und ob der Mieter dennoch in der Wohnung bleiben darf, könne nicht durch eine Differenzierung in Fallgruppen beantwortet werden. Für künftige gerichtliche Entscheidungen in Fällen der Eigenbedarfskündigung formulierte der BGH neulich dennoch einige Leitfäden.

Die gesetzlichen Grundlagen der Eigenbedarfskündigung

Grundsätzlich schützt das Gesetz den Mieter, sofern er seinen vertraglichen Pflichten nachkommt. Der Vermieter besitzt bei pflichtgemäßem Verhalten des Mieters kaum eine Möglichkeit, den unbefristeten Mietvertrag zu kündigen.

Dennoch sind nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ordentliche Kündigungen zugelassen, falls der Vermieter den Wohnraum für sich oder Angehörige verwenden möchte. Der Mieter kann der sogenannten Eigenbedarfskündigung, dessen Voraussetzungen nicht sehr hoch sind, lediglich einen Härtefallantrag gegenüberstellen. Fraglich ist, inwiefern gerichtlich konkret entschieden werden muss, wenn sich Härtefall und Eigenbedarf wie in den aktuellen Fallkonstelationen gegenüberstehen.

Die dem BGH zugrundeliegenden Fallkonstellationen

Der BGH griff zwei Fälle auf, die zuvor von den Berufsgerichten zurückgewiesen worden waren.

Im ersten Fall hatte ein legitimier Eigenbedarf des Vermieters vorgelegen. Das Gericht hatte jedoch aufgrund des sehr hohen Alters der Mieterin einen Härtefall angenommen. Die 82 Jährige Frau hatte eine Demenzerkrankung und war seit 1974 die Mieterin der Wohnung. Das Mietverhältnis hätte nach der Entscheidung des LG Berlin künftig weiterhin bestehen müssen.

Im zweiten Fall urteilte das LG Halle und entschied sich für eine wirksame Kündigung des Vermieters. Dem gegenüber stand der Härtefallantrag des Mieters, welcher durch seine Erkrankung als Pflegestufe II hätte eingestuft werden müssen. Der Mieter erklärte, er werde durch Schizophrenie, Alkoholkrankheit, Inkontinenz und Demenz in seiner Lebensqualität erheblich beeinträchtigt und könne nicht umziehen. Zum Nachweis wurde ein Attest eines Psychiaters vorgelegt. Dennoch gab das Gericht dem Vermieter Recht, ohne eine Beweisaufnahme für den Eigenbedarf oder die Erstellung eines Gutachtens über die möglichen gesundheitlichen Folgen eines Umzugs für den Mieter.

Der BGH stufte die Entscheidungen der Berufsgerichte als zu oberflächlich ein. Im ersten Fall habe das LG Berlin den Eigenbedarf des Vermieters als nicht bedeutsam angesehen und im zweiten Fall fehle die Beweisaufnahme. Eine Eigenbedarfskündigung erfordere eine genaue Sachverhaltsaufklärung und Abwägung der Interessen des Mieters und Vermieters. Auf beiden Seiten seien Grundrechtsgüter betroffen. Sowohl das Eigentumsrecht des Vermieters als auch das Recht auf Gesundheit des Mieters müsse berücksichtigt werden.

BGH spricht sich gegen Fallgruppen aus 

Der BGH erklärte zudem, es könnten keine konkreten Fallgruppen erstellt werden, durch die die Abwägung der beidseitigen Interessen bei Kündigung des Mietverhältnisses erfolge. Eine Grenze wie das Alter des Mieters bei Beurteilung einer möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigung durch Umzüge oder eine gewisse Mietdauer dürfe allgemein nicht bestehen und pauschalisiert werden. Konkret müsse im Fall, auf Grundlage einer Beweisaufnahme, darüber entschieden werden. Lege der Mieter selbst ein Attest bezüglich einer negativen Gesundheitsbeeinträchtigung durch einen Umzug vor, müssen ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Lediglich ein Fachgutachter könne richtig beurteilen und zur Klärung beihelfen, ob das Risiko des Mieters schwerer wiegt als das Eigennutzungsinteresse des Vermieters.

Ob Blitzer-Apps legal sind und verwendet werden dürfen

Blitzer-Apps erfreuen sich zunehmender Beliebtheit und machen den Fahrer durch ein GPS-System auf Radargeräte aufmerksam. Durch die vorzeitige Warnung, mittels Tonsignal oder Bildanzeige, hält sich der Fahrer rechtzeitig an die Geschwindigkeitsbegrenzung und kann beispielsweise Bußgeldern entgehen. Nach bisheriger Rechtsprechung ist die Nutzung einer solchen App nicht gestattet. Eine letztinstanzliche Entscheidung steht noch aus.

Blitzer-Apps werden immer beliebter

Mit Hilfe von über 4.000 stationären Radargeräten werden jährlich Autofahrer ermittelt, die sich nicht an die vorgeschriebenen Geschwindigkeitsbegrenzungen nach § 3 StVO halten. Bei Verstoß drohen je nach Höhe der Überschreitung Bußgelder, Punkte in Flensburg und im schlimmsten Fall ein Fahrverbot. Um all dem zu entgehen, bieten sich Blitzer-Apps an, die Fahrer rechtzeitig auf Radargeräte aufmerksam machen und größtenteils kostenlos installiert werden können. Durch ständige Aktualisierung erfassen die Apps zudem neu platzierte Blitzer und orten diese durch GPS-Systeme. Die Nutzung eines solchen Anwendungsprogramms ist nach bisheriger Rechtsprechung jedoch nicht erlaubt.

Durch die Nutzung kann sich ein Autofahrer strafbar machen

Während eine letztinstanzliche Entscheidung über die Blitzer-Apps bisher aussteht, entschieden das OLG Celle und das OLG Rostock auf Grundlage des § 23 Abs.1c StVO über die Illegalität von Blitzer-Apps. Nach §23 Abs.1c StVO darf ein Fahrzeugführer keine technischen Geräte betreiben oder betriebsbereit mitführen, die der Anzeige oder dem Stören von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen dienen. Folglich ist das Mitführen eines derartigen Anwendungsprogramms während der Fahrt nicht gestattet. Die alleinige Installation auf das Smartphones hingegen ist nicht verboten. Es ist somit erlaubt, sich vor der Autofahrt mit Hilfe der Blitzer-App über Standpunkte von Radargeräten zu erkundigen. Lediglich während der Autofahrt darf das Gerät mit der Applikation nicht mitgeführt werden. Andernfalls könnten Bußgelder in Höhe von 75 Euro und bis zu vier Punkte in Flensburg drohen. Fraglich ist, ob das Verbot auch für den Beifahrer gilt. Da sich der Gesetzgeber konkret auf den Fahrzeugfahrer bezieht, dürfte den Fahrer bei Verwendung der App durch den Beifahrer keine Schuld treffen. Der Beifahrer sollte den Fahrer dennoch nicht vor Blitzern warnen.

In einigen EU-Ländern sind Blitzer-Apps erlaubt

Während in einigen Ländern der EU die Verwendung von Blitzer-Apps während der Fahrt gestattet ist, gilt in anderen Ländern dieselbe Rechtsprechung wie in Deutschland. In Belgien, Frankreich, Luxemburg und Spanien dürfen sowohl Apps als auch Navigationsgeräte mit Warnfunktion vor fest installierten Radargeräten während der Fahrt vom Fahrer genutzt werden. Länder wie Finnland und die Niederlande hingegen folgen derselben Rechtsprechung wie das OLG Celle und Rostock. Ob sich die deutsche Rechtsprechung künftig durch ein mögliches letztinstanzliches Urteil ändern könnte, bleibt ungewiss.

Nach Leihmutterschaft im Ausland ist die Leihmutter die rechtliche Mutter

Ende vergangenen Monats urteilte der BGH über die Leihmutterschaft im Ausland.

Demnach sei die Leihmutter, wenn das Kind nach der Geburt vor einer Abstammungsentscheidung im Ausland nach Deutschland gebracht wird, die rechtliche Mutter des Kindes. Dies könne, so der BGH, mit dem deutschen Abstammungsrecht begründet werden.

  • BGH; Beschluss vom 20.03.2019, Az. XII ZB 530/17

Die dem Urteil des BGH zugrundeliegende Fall der ukrainischen Leihmutter

Ein deutsches Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen entschied sich 2015 für eine in der Ukraine lebende Leihmutter, welche die vom Sperma des Ehemannes befruchtete Eizelle der Ehefrau erhielt. Noch vor der Geburt ließ der Ehemann seine Vaterschaft in der Deutschen Botschaft anerkennen. Nachdem das Kind im Dezember in Kiew geboren wurde, registrierte das ukrainische Standesamt das deutsche Ehepaar als rechtmäßige Eltern und händigte ihnen die Geburtsurkunde aus. Zurück in Deutschland fiel dem deutschen Standesamt jedoch auf, dass das Kind von einer Leihmutter ausgetragen worden war. Das Amtsgericht beantragte die Korrektur im Geburtenregister und die Änderung der eingetragenen Ehefrau durch den Namen der Leihmutter. Die Beschwerde des Ehepaars beim OLG Hamm brachte keinen Erfolg. Der BGH bestätigte die Entscheidung des OLG und nahm Stellung.

Zunächst sei die Feststellung, ob die Anwendung des deutschen Abstammungsrechts in diesem Fall möglich wäre, von größter Wichtigkeit. 

Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes nach Art. 19 Abs. 1 Einführungsgesetz zum BGB bestimme den Staat, welchem die Abstammung des Kindes unterliege. Das Ehepaar, beide deutsche Staatsangehörige, würden sich für gewöhnlich und dauerhaft in Deutschland aufhalten. Bei dem Säugling müsse auf das familiäre Umfeld abgestellt werden. Da mitunter die Leihmutter wusste, dass das Kind dauerhaft in Deutschland leben würde und der Ehemann anerkannter Vater sei, müsse von der deutschen Staatsangehörigkeit des Säuglings ausgegangen werden. Das demzufolge anwendbare deutsche Abstammungsrecht erkenne eine Leihmutterschaft nicht an und definiere die rechtliche Mutter nach § 1591 BGB als die Frau, die das Kind geboren habe. Dem Ehepaar bleibt nun lediglich die Möglichkeit einer Adoption offen.

Ähnliche Fallkonstelationen mit anderem Urteil 

Der BGH hatte sich bisher in vergangen ähnlichen Fällen für die nachträgliche Anerkennung der Elternschaft entschieden. Zwei männliche Lebenspartner aus Berlin wurden 2014 als gesetzliche Eltern des in Kalifornien von einer Leihmutter ausgetragenen Kindes anerkannt. Eine sehr ähnliche Entscheidung traf der BGH 2018 im Falle einer Leihmutterschaft in Colorado. Die deutsche Mutter wurde anerkannt, obwohl die Kinder bloß genetisch vom Vater abstammten. 

Der wesentliche Unterschied der vergangenen Fälle mit dem Aktuellen ist der, dass die US-Gerichte die Elternschaft vor der Geburt selbst bestätigten und das deutsche Gericht sich an deren Urteil gebunden sah. Die Eintragung im ukrainischen Standesamt des Ehepaares aus NRW sei, so der BGH, nicht maßgeblich.

Neues EuGH-Urteil zur Arbeitszeiterfassung bedeutet das Ende der Vertrauensarbeitszeit

Anfang dieser Woche urteilte der EuGH über die Arbeitszeiterfassung in Unternehmen.

Um den Arbeitnehmerschutz und die Einhaltung der EU-Arbeitszeit-Richtlinie gewährleisten zu können, müsse die tatsächliche Arbeitszeit des Arbeitnehmers genauestens erfasst und dokumentiert werden. Dies könnte neuen Regelungen durch den Gesetzgeber zur Folge haben.

–  EuGH; Urteil vom 14.05.2019, Az.: C-55/18

Die bisherige Regelung des achtstündigen Arbeitstages

Die Regelungen zum Umfang der Arbeitszeit des Arbeitnehmers sind im national geltenden ArbZG gesetzlich normiert. Nach § 3 S. 1 ArbZG darf an einem Werktag nicht länger als acht Stunden gearbeitet werden. Ausnahmsweise sind nach § 3 S. 2 ArbZG auch zehn Stunden erlaubt, wenn innerhalb einer Zeitspanne von sechs Monaten durch die Überstunden keine Summe von mehr als acht Stunden entsteht. In dem Arbeitszeitgesetz befinden sich zudem Regelungen zu Ruhezeiten und einzulegenden Pausen, deren Einhaltung von staatlichen Aufsichtsbehörden oder Ämtern für den Arbeitsschutz kontrolliert werden.

Die zum Schutze des Arbeitnehmers erforderliche Kontrolle resultiert aus den europäischen Vorgaben und ist nach der Rechtsprechung des EuGH von jedem Mitgliedstaat zu gewährleisten.

Nach EuGH-Rechtsprechung müssen Arbeitszeiten genauestens erfasst werden

Zur Einhaltung der Arbeitszeitvorgaben sei die Entstehung eines neuen Systems zur effektiven Dokumentation der tatsächlich geleistet Arbeitszeit von größter Wichtigkeit. Da der Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis eine unterlegenere Position einnehme, sei er in besonderem Maße zu schützen. Dieser erforderliche Schutz könne lediglich durch genauste Erfassung der Arbeitszeiten gewährleistet werden. Das neu zu erstellende System müsse, so der EuGH, die Zeiten an einem Werktag genauestens dokumentieren und die zeitliche Verteilung wie auch die Zahl der Überstunden objektiv und verlässlich aufzeichnen.

Vertrauensarbeitszeit nicht mehr möglich 

Die neue EuGH-Rechtsprechung hat weitreichende Folgen für das deutsche Arbeitsrecht. Nach bisheriger Gesetzgebung in Deutschland gibt es keine Vorschrift zur Erfassung der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit. Der Arbeitgeber war bisher zur bloßen Dokumentation der Zeiten oberhalb der Arbeitszeit von acht Stunden nach § 16 Abs. 2 ArbZG angehalten. Dies diente insbesondere dem Nachweis der Wahrung des Ausgleichzeitraums nach § 3 S. 2 ArbZG bei behördlichen Kontrollen.

Die tatsächliche Arbeitsdauer des Arbeitnehmers bei Nichtüberschreitung der acht Stunden musste bisher nicht nachgewiesen werden. Auch reichte es bezüglich der Überstunden aus, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Anzahl lediglich meldete. Diese Vertrauensarbeitszeit wird es nach dem neuen EuGH-Urteil nicht mehr geben können.

Der dem Urteil des EuGH zugrundeliegende Fall der spanischen Gewerkschaft

Ein Arbeitnehmer berief sich in einem Rechtsstreit mit seiner Arbeitgeberin, der spanischen Niederlassung einer Deutschen Bank, auf die Grundsätze des Arbeitszeitgesetzes. Er verlangte, von seiner Gewerkschaft unterstützt, die genaue Zeiterfassung der Arbeitsstunden. 

Die europäischen Vorgaben seien, so der Kläger, lediglich durch die genauste Dokumentation zu gewährleisten. Das spanische Gericht leitete den Sachverhalt an den EuGH weiter, welches den Arbeitgeber im Recht sah und dem Argument der Notwendigen genausten Dokumentation zustimmte.

Urlaub kann vom Arbeitgeber wegen Elternzeit verkürzt werden

Ende vergangenen Monats urteilte das BAG über die Urlaubsansprüche während der Elternzeit.

Ein Arbeitgeber dürfe nach deutschem Recht Urlaubsansprüche von Mitarbeitern in Elternzeit kürzen. Das BAG verwies auf eine EuGH-Entscheidung und erklärte, es entstehe kein Widerspruch zum Unionsrecht.

–  BAG; Urteil vom 19.3.2019, Az 9 AZR 362/18

Das Kürzungsrecht des Urlaubsanspruchs während der Elternzeit

Eltern können von ihrem Arbeitgeber nach Maßgabe des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes Elternzeit beanspruchen.

Diese Inanspruchnahme führt zum zeitlich befristeten Ruhezustand des Arbeitsverhältnisses. Während die Hauptleistungspflichten wie Bezahlung des Arbeitnehmers und die Verpflichtung der Leistungserbringung ausgesetzt werden, bleiben die Nebenleistungspflichten des Arbeitsvertrags bestehen.

Der Arbeitgeber muss folglich dem Arbeitnehmer nach der Rückkehr aus der Elternzeit einen angemessenen Arbeitsplatz für die weitere Beschäftigung zur Verfügung stellen. 

Urlaubsansprüche hingegen entstehen nur aus bestehenden Arbeitsverhältnissen, welche sich im Falle der Elternzeit im Ruhezustand befinden.

Nach § 17 BEEG darf der Arbeitgeber deshalb, so das BAG, durch eine formlose Erklärung gegenüber dem Arbeitnehmer die während der Elternzeit entstehenden Urlaubsansprüche streichen und den Jahresurlaubsanspruch für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen. Zudem verwies das BAG auf die neueste EuGH-Rechtsprechung und schloss sich dieser an.

Urteil des EuGH: Jahresurlaub dient der Erholung für tatsächliche Arbeit

Der Anspruch auf vier Wochen bezahlten Urlaub im Kalenderjahr lässt sich gesetzlich aus dem deutschen Bundesurlaubsgesetz und den unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 7 der europäischen Arbeitszeit-Richtlinie 2003/88/EG herleiten, wobei eine Kürzung des Urlaubsanspruchs nach neuester Rechtsprechung durchaus gerechtfertigt sein kann.

Der EuGH nahm im vergangenen Jahr zu einer rumänischen Regelung Stellung, welche eine Kürzung des Urlaubsanspruchs für die Dauer des sogenannten Elternurlaubs vorsah. Die Richter beurteilten die Regelung als europarechtskonform. Zwar sei der Anspruch von Arbeitnehmern auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen ein bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union, doch liege der Zweck dessen in der Erholung des Arbeiternehmers. Dies setze voraus, dass im Laufe des Bezugszeitraums eine tatsächliche Arbeit stattgefunden habe, was während der Elternzeit nicht der Fall sein könne. 

Die dem Urteil des BAG zugrundeliegenden Fallkonstellationen

Eine seit 2001 als Assistentin in der Geschäftsleitung tätige Arbeitnehmerin und Mutter zweier Kinder kündigte ihr Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2016 

Zuvor hatte sie sich von Anfang 2013 bis Ende 2015 durchgehend in Elternzeit befunden. Mit der Kündigung beantragte sie Urlaub für den Zeitraum der Kündigungsfrist unter Einbeziehung der während der Elternzeit entstandenen Urlaubsansprüche. Der Arbeitgeber erteilte ihr dieses ohne Berücksichtigung des auf die Elternzeit entfallenden Urlaubs. Die Arbeitnehmerin klagte daraufhin erfolglos auf Abgeltung von 89,5 Arbeitstagen Urlaub aus ihrer Elternzeit.  

Der Arbeitgeber, so das BAG, habe die Urlaubsansprüche aus den Jahren 2013 bis 2015 rechtmäßig gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel gekürzt. Ein Widerspruch zum Unionsrecht, worauf sich die Mutter in ihrer Klageschrift berief, sei zudem unter Berücksichtigung des neuesten EuGH-Urteils zur rumänischen Regelung nicht gegeben. 

Nach einmaligem Cannabiskonsum im Straßenverkehr droht noch kein Verlust der Fahrerlaubnis

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschied Anfang vergangenen Monats, dass bei erstmaliger Feststellung einer Grenzwertüberschreitung des THC-Wertes am Steuer eine Ausnahme gemacht werden könne. Nach bisheriger Rechtsprechung genügte die alleinige Feststellung von Blutwerten ab einem Nanogramm Tetrahydrocannabinol je Milliliter, um dem Fahrer die Fahrerlaubnis sofort zu entziehen. Künftig soll ein medizinisch-psychologisches Gutachten über die Fahruntauglichkeit nach der erstmaligen Cannabis-Fahrt entscheiden. Die Ausnahmeregelung gilt nicht für regelmäßige Cannabiskonsumenten.

–  Bundesverwaltungsgericht Leipzig; Urteil vom 11.04.2019, Az. 3 C 13.17

Einmaliger Cannabiskonsum führt nicht zum Verlust der Fahrerlaubnis

Nach der Fahrerlaubnisverordnung liegt ein Verstoß gegen das Trennungsgebot von Fahren und Konsum bei einer THC-Konzentration von 1 ng/ml oder mehr vor. Die frühere Rechtsprechung begründete mit der Überschreitung dieses Grenzwertes die Nichteignung zum Führen eines Fahrzeugs. Dies sei, so das Bundesverwaltungsgericht vergangenen Monat, bei einem einmaligen Verstoß nicht zwangsläufig der Fall. Die Richter in Leipzig entschieden, dass durch den gelegentlichen Cannabiskonsum Bedenken an der Fahrtauglichkeit entstehen würden, welche aber künftig mit einem zusätzlichen medizinisch-psychologischen Gutachten beurteilt werden müssten. 

Die Fahrerlaubnisbehörden hätten gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 S. 3 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) nach eigenem Ermessen über die Erstellung eines Gutachtens zu entscheiden. Bei regelmäßigem Konsum sei hingegen, im Gegensatz zu Gelegenheitskonsumenten, automatisch von einer Fahruntauglichkeit auszugehen.

Die dem Urteil des Bundesverwaltungsgericht zugrundeliegenden Verfahren

Zwei Kläger, jeweils gelegentliche Cannabiskonsumenten aus Bayern und Nordrhein-Westfalen, waren erstmals bei Verkehrskontrollen mit erhöhten THC-Werten über dem Grenzwert aufgefallen. Die Fahrerlaubnisbehörden sahen in beiden Fällen die Fahrsicherheit durch die Kläger stark beeinträchtigt. Die Fahrerlaubnisse wurde ohne Erstellung eines Gutachtens augenblicklich entzogen. Während das Nordrhein-Westfälische Oberverwaltungsgericht die Entscheidung als zulässig annahm, rückte das Bayerische Verwaltungsgericht von der Entscheidung ab. Es beantragte im April 2017 die Erstellung eines Gutachtens, auf dessen Grundlage über das Vorhandensein oder Fehlen der Fahrtauglichkeit zu entscheiden sei. 

Neues Urteil zur Zuweisung eines Hundes nach der Scheidung

Vergangenen Monat urteilte das OLG Stuttgart über die Zuweisung eines Hundes nach der Scheidung. Die Zuteilung eines im Alleineigentum eines Ehegatten stehenden Hundes nach der Trennung an den ehemaligen Partner sei gesetzlich nicht vorgesehenen. Zudem seien auf Hunde die bereits bestehenden Vorschriften für Haushaltsgegenstände anzuwenden.

  • OLG Stuttgart; Beschluss vom 16.04.2019, Az. 18 UF 57/19

Die dem Urteil des OLG zugrundeliegenden Fallkonstellationen

Die Klägerin, eine seit Ende 2018 geschiedene Ehefrau, verlangte eine vor der Ehe angeschaffte Labradorhündin heraus. Erste mündliche Verhandlungen vor dem Amtsgericht Sigmaringen hatten die Einigung über den regelmäßigen Umgang der Frau mit der Hündin ergeben. Im folgenden zweiten Verhandlungsterminen forderte diese jedoch die Herausgabe und den alleinigen Umgang. Der Antrag wurde vom Amtsgericht zunächst zurückgewiesen, weshalb sie gegen dieses Urteil Beschwerde einlegte. Die höhere Instanz, das OLG in Stuttgart, wies die Rechtsbeschwerde zurück und ließ sie nicht zum BGH zu.

Die Klägerin, so die Begründung des OLG, habe ihr Eigentum nicht nachweisen können. Zudem werde aus dem Abgabevertrag des Tierhilfevereins, bei dem das Paar den Welpen kurz vor der Ehe erworben hatten, deutlich, dass der Ehemann das Eigentum an der Hündin besitze. Das von der Klägerin entgegen gebrachte Argument, sie habe sich wie ein Kind um die Hündin gekümmert, ändere nichts daran.

Zudem sei bei selbst nachgewiesenem Miteigentum der Klägerin aus Kontinuitätsgründen nach mehreren Jahren der Trennung eine Aufenthaltsveränderung der Hündin nicht tierwohladäquat.

Verweis zum Fall der Malteserhündin Babsi

Der Senat verwies zudem auf die frühere Rechtsprechung des Jahres 2014, in welchem die Zuweisung der Malteserhündin Babsi während der Trennung zweier Eheleute erfolgte. Das Gericht entschied, dass bei Tieren nach § 90 a S. 3 BGB die selben Vorschriften des BGB für Sachen gelten müssten. Demnach finde die geltenden Vorschrift des § 1568 b Abs. 1 BGB Anwendung. Das Gesetz sehe eine gerichtliche Überlassung an einen Ehepartner nur bei im gemeinsamen Eigentum stehenden Haushaltsgegenständen vor. Demgegenüber sei die Zuteilung eines im Alleineigentum eines Ehegatten stehenden Hundes nach der Trennung an den ehemaligen Partner nicht vorgesehenen.

Die damalige Feststellungen des Familiengerichts, ein auf einem gesetzlicher Anspruch basierendes Umgangsrechts mit dem Hund bestehe nicht, wurde vom OLG ebenfalls übernommen.

BGH: Dashcam-Video als Beweismittel zulässig

Der BGH hat in seinem heutigen Urteil entschieden, dass es kein grundsätzliches Beweisverwertungsverbot für Dashcam-Videos im Unfallhaftpflichtprozess gibt. Daher sind Dashcam-Videos als Beweismittel grundsätzlich verwertbar.

– BGH vom 15.05.2018 Akz. VI ZR 233/17 –

Dashcam-Video wurde nicht als zulässiges Beweismittel zugelassen

Der Kläger nimmt den Beklagten und seine Haftpflichtversicherung nach einem Verkehrsunfall auf restlichen Schadensersatz in Anspruch. Die Fahrzeuge der Parteien waren innerorts beim Linksabbiegen auf zwei nebeneinander verlaufenden Linksabbiegespuren seitlich kollidiert. Die Beteiligten streiten darüber, wer von beiden seine Spur verlassen und die Kollision herbeigeführt hat. Die Fahrt vor der Kollision und die Kollision wurden von einer Dashcam aufgezeichnet, die im Fahrzeug des Klägers angebracht war.

Die Aufzeichnung wurde jedoch in den Vorinstanzen nicht als Beweismittel zugelassen, da sie gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoße und einem Beweisverwertungsverbot unterliege. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgte der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Dauerhafte Aufzeichnungen einer Dashcam bleiben weiterhin unzulässig

Der BGH stellte nun klar, dass die vorgelegte Videoaufzeichnung nach den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen unzulässig sei. Sie verstoße gegen § 4 BDSG, da sie ohne Einwilligung der Betroffenen erfolgt ist und nicht auf § 6b Abs. 1 BDSG oder § 28 Abs. 1 BDSG gestützt werden kann. Jedenfalls sei eine permanente anlasslose Aufzeichnung des gesamten Geschehens auf und entlang der Fahrstrecke des Klägers zur Wahrnehmung seiner Beweissicherungsinteressen nicht erforderlich, denn es sei technisch möglich, eine kurze, anlassbezogene Aufzeichnung unmittelbar des Unfallgeschehens zu gestalten, beispielsweise durch ein dauerndes Überschreiben der Aufzeichnungen in kurzen Abständen und Auslösen der dauerhaften Speicherung erst bei Kollision oder starker Verzögerung des Fahrzeuges.

Trotzdem: Im Unfallhaftpflichtprozess muss ein Dashcam-Video grundsätzlich zugelassen werden

Die Unzulässigkeit oder Rechtwidrigkeit einer Beweiserhebung führt im Zivilprozess nicht ohne Weiteres zu einem Beweisverwertungsverbot, so der BGH. Über die Frage der Verwertbarkeit ist vielmehr aufgrund einer Interessen- und Güterabwägung nach den im Einzelfall gegebenen Umständen zu entscheiden. Die Abwägung zwischen dem Interesse des Beweisführers an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, seinem im Grundgesetz verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege einerseits und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und ggf. als Recht am eigenen Bild andererseits führt zu einem Überwiegen der Interessen des Klägers.

Fehlerhafte Belehrung im Asylverfahren

Das VG Cottbus hat am 10.01.2017 entschieden, dass ein Asylverfahren wegen Nichterscheinens des Asylbewerbers zur Anhörung nicht eingestellt werden darf, wenn dem Asylbewerber die Belehrung nicht in einer von ihm beherrschten Sprache zugeht – Stichwort Fehlherhafte Belehrung im Asylverfahren.

– VG Cottbus Urteil vom 10.01.2017 Akz. 5 L 665/16 A –

Asylbewerber versteht die Belehrung nicht

Ein Asylbewerber aus Kamerun wandte sich gegen die Einstellung seines Asylverfahrens durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), welches dessen Asylantrag als zurückgenommen betrachtet hatte, weil er das Asylverfahren nicht betrieben habe und der Aufforderung zur Anhörung ebenfalls nicht nachgekommen sei. Die Belehrung hatte er hierbei nur in deutscher Sprache erhalten.

Keine Versäumnis bei fehlerhafter Belehrung im Asylverfahren

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Cottbus hat der erteilte schriftliche Hinweis auf Einstellung des Asylverfahrens nicht ausgereicht, da nach der einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Kommentierung die Abfassung in einer Sprache erforderlich gewesen wäre, die dem kameruner Antragsteller verständlich war oder von der vernünftigerweise angenommen werden durfte, dass er sie versteht.