Bei coronabedingter Betriebsschließung kein Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzug

Lohn, Taschenrechner, Vergütung, Pandemie

Der Arbeitgeber habe, so das BAG, das Risiko des Arbeitsausfalls aufgrund eines staatlich verfügten Lockdowns durch die Corona-Pandemie nicht zu tragen. Demnach sei er nicht verpflichtet, seinen Beschäftigten Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu zahlen.

–  BAG Nr. 31/2021 v. 13.10.2021

Die dem Urteil des BAG zugrundeliegenden Fallkonstellationen

Die Klägerin ist bei der Beklagten, einer Händlerin in Bremen für Nähmaschinen und Zubehör, in dessen Filiale seit Oktober 2019 als geringfügig Beschäftigte gegen eine monatliche Vergütung von 432,00 Euro im Verkauf tätig. Das Geschäft wurde im April 2020 aufgrund der „Allgemeinverfügung über das Verbot von Veranstaltungen, Zusammenkünften und der Öffnung bestimmter Betriebe zur Eindämmung des Coronavirus“ der Freien Hansestadt Bremen vom 23. März 2020 geschlossen. Die Klägerin konnte in diesem Zeitraum nicht arbeiten und erhielt keine Vergütung. 
Mit der Klage begehrt die Klägerin die Zahlung ihres Entgelts für den Monat April 2020 unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs. Die Schließung des Betriebs aufgrund behördlicher Anordnung sei, so die Klägerin, ein vom Arbeitgeber zu tragendes Betriebsrisiko. Dagegen hat die Beklagte Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die angeordneten Maßnahmen beträfen das allgemeine Lebensrisiko, das nicht beherrschbar und von allen gleichermaßen zu tragen sei.

Urteil des BAG: Kein Vergütungsanspruch  

Während die Vorinstanzen der Klage stattgaben, hatte die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision der Beklagten Erfolg. Die Klägerin habe für den Zeitraum, in dem ihre Arbeitsleistung und deren Annahme durch die Beklagte aufgrund der behördlich angeordneten Betriebsschließung unmöglich war, keinen Anspruch auf Entgeltzahlung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs. 

Das Risiko des Arbeitsausfalls im Falle einer Anordnung zum Schutz der Bevölkerung vor schweren und tödlichen Krankheitsverläufen infolge von SARS-CoV-2-Infektionen habe nicht der Arbeitgeber zu tragen. Die behördliche Anordnung in einem Bundesland diene der Reduzierung des sozialen Kontakts auf ein Minimum und habe die nahezu flächendeckende Schließung aller der Versorgung der Bevölkerung nicht notwendigen Einrichtungen zur Folge. In solch einem Fall realisiere sich nicht ein in einem bestimmten Betrieb angelegtes Betriebsrisiko. Vielmehr resultiere die Unmöglichkeit der Arbeitsleistung aus einem hoheitlichen Eingriff zur Bekämpfung einer die Gesellschaft insgesamt treffenden Gefahrenlage. 

Gegebenenfalls habe der Staat für einen adäquaten Ausgleich der Beschäftigten durch den aus hoheitlichen Eingriffen entstehenden finanziellen Nachteilen zu sorgen. Soweit ein solcher Ausgleich wie bei der Klägerin als geringfügig Beschäftigter nicht gewährleistet ist, beruhe dies auf Lücken in dem sozialversicherungsrechtlichen Regelungssystem. Aus dem Fehlen nachgelagerter Ansprüche lasse sich keine arbeitsrechtliche Zahlungspflicht des Arbeitgebers herleiten.

Bei Online-Krankschreibung keine Entgeltfortzahlung

Arztbesuch, online, Pandemie

Die Voraussetzungen für eine Arbeitsunfähigkeit seien bei einer Online-Krankschreibung nicht gegeben, sofern der persönliche oder telefonische Arztkontakt fehle. Das Arbeitsgericht Berlin entschied in einem Fall, dass der Arbeitgeber den Anspruch auf Entgeltfortzahlung verweigern dürfe.

  • Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 1. April 2021, Az: 42 Ca 16289/20

Die dem Urteil des ArbG Berlin zugrundeliegende Fallkonstellation

Der Arbeitnehmer war als Sicherheitsmitarbeiter in einem Berliner Unternehmen beschäftigt. Für die Zeiträume vom 26. bis 30. August 2020 und vom 5. bis 9. September 2020 legte er zum Beweis seiner Arbeitsunfähigkeit je eine AU-Bescheinigung vor, die er sich über das Internetportal „www.au-schein.de“ ausstellen ließ. Der Arbeitnehmer musste hierfür lediglich einige Fragen zu seiner Krankheit beantworten, ohne das ein persönlicher oder telefonsicher Kontakt zum Arzt erfolgte. Weil der Arbeitgeber hierauf die Entgeltfortzahlung ablehnte, klagte der Arbeitnehmer und machte geltend, dass er aufgrund der Coronapandemie einen Besuch in der Arztpraxis vermeiden wollte.

Urteil des ArbG: Kein Beweis durch Online-Krankschreibung  

Aufgrund eines fehlenden Nachweises der Arbeitsunfähigkeit seitens des Arbeitnehmers sei der Arbeitgeber, so das ArbG Berlin, nicht zur Entgeltfortzahlung verpflichtet. Die Online-Krankschreibung sei nicht als Beweis geeignet. Vielmehr erfordere eine „ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ im Sinne der BAG-Rechtsprechung eine ärztliche Untersuchung des Arbeitnehmers. Weder habe ein Arzt mit dem Arbeitnehmer ein persönliches oder telefonisches Gespräch geführt, noch ihn persönlich untersucht.

Auch wenn die Online-Krankschreibung eine Maßnahme sei, um das Risiko während der Corona-Pandemie zu vermindern, sei dennoch zumindest ein telefonischer Kontakt zwischen Arzt und Patient erforderlich sei, um eine Diagnose zu erstellen.   

Kein Anspruch auf Beschäftigung bei attestierter Masken-Unverträglichkeit

Maske, Corona, Attest

Sofern es einem Arbeitnehmer aufgrund eines ärztlichen Attests nicht möglich ist, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, darf ein Arbeitgeber dessen Beschäftigung im Vertrieb verweigern. Der Arbeitnehmer sei in diesem Fall arbeitsunfähig, wie das Arbeitsgericht Siegburg am 18.08.2021 entschieden hat.

  • ArbG Siegburg, Urteil vom 18.08.2021 – 4 Ca 2301/20

Die dem Urteil des ArbG Siegburg zugrundeliegende Fallkonstellation

Der Kläger war bei der Beklagten, welche mit einem Schreiben vom 06.05.2020 das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung angeordnet hatte, als Verwaltungsmitarbeiter im Rathaus beschäftigt. Nachdem der Kläger bereits zwei Atteste vorgelegt hatte, die ihn von der Maskenpflicht und ebenfalls von der Pflicht zum Tragen von Gesichtsvisieren jeglicher Art befreiten, wollte die Beklagte den Kläger nicht weiterhin im Rathaus beschäftigen. 

Zudem war der Kläger seit Dezember 2020 nahezu durchgehend krankgeschrieben. 

Der Kläger begehrte, nach einem Eilverfahren im Dezember 2020, in der Hauptsache seine Beschäftigung im Rathaus ohne Gesichtsbedeckung oder eine alternative Beschäftigung im Homeoffice. Zudem begehrte er Vergütung trotz Nichtbeschäftigung seit Dezember 2020 in Form von Annahmeverzugslohn.

Urteil des ArbG: Priorität des Gesundheitsschutzes 

Die Klage wurde vom Arbeitsgericht zurückgewiesen. 

Statt dem Interesse des Klägers an einer Beschäftigung ohne Mund-Nase-Bedeckung habe der Gesundheits- und Infektionsschutz aller Mitarbeiter und Besucher des Rathauses Vorrang. 

Im Rathaus der Beklagten bestehe gemäß des § 3 Abs. 1 Nr. 2 der geltenden Coronaschutzverordnung eine Maskenpflicht. Ferner sei diese Anordnung vom Direktionsrecht gedeckt. Sofern der Kläger ärztlich attestiert nicht zum Tragen der Maske in der Lage sei, gelte er als arbeitsunfähig und habe keinen Anspruch auf Beschäftigung und Annahmeverzugslohn oder Schadensersatz. Im konkreten Fall bestehe auch kein Anspruch auf einen Homeoffice-Arbeitsplatz, da Teile der dem Kläger übertragenen Aufgaben im Rathaus vorgenommen werden müssten. Eine partielle Tätigkeit zu Hause würde die bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht beseitigen. Auch kenne das Entgeltfortzahlungsgesetz keine partielle Arbeitsunfähigkeit.

Krankheit muss im Zweifel nachgewiesen werden

Zerrüttung, Vertrauen, AU

Anfang dieses Monats urteilte das BAG über eine mögliche Erschütterung des Beweiswerts der Bescheinigung auf Arbeitsunfähigkeit (AU). Dies könne insbesondere dann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer nach der Kündigung eine Krankschreibung vorlege, die den Zeitraum der Restlaufzeit erfasse. Dementsprechend könne nicht automatisch mit einer Gehaltsfortzahlung gerechnet werden.

  • BAG; Beschluss vom 08.09.2021, 5 AZR 149/21

Die dem Urteil des BAG zugrundeliegende Fallkonstellation

Anfang Februar 2019 hatte eine Mitarbeiterin einer Zeitarbeitsfirma zum Monatsende gekündigt und am selben Tag eine AU eingereicht. Laut Arbeitgeber solle sie zudem am Tag der Ausstellung einem Kollegen in ihrem damaligen Einsatzbetrieb telefonisch angekündigt haben, nicht mehr zur Arbeit zu kommen, ohne das von einer Arbeitsunfähigkeit die Rede gewesen sei.

Nachdem der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigerte, machte die Frau geltend, sie sei ordnungsgemäß krankgeschrieben gewesen und habe vor einem Burnout gestanden. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG) gab der Lohnfortzahlungsklage der Arbeitnehmerin statt (Urt. v. 13.10.2020, Az. 10 Sa 619/19).

Urteil des BAG: Erschütterung des Beweiswerts der AU

Der Arbeitgeber hingegen hatte mit seiner Revision vor dem BAG Erfolg. Nach der Ansicht des Senats sei der Beweiswert der AU erschüttert, da diese exakt die Restlaufzeit des Arbeitsverhältnisses abdecke. Demnach hätten ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestanden. Die tatsächliche Arbeitsunfähigkeit hätte die Klägerin darlegen und beweisen müssen. Durch Vernehmung des behandelnden Arztes nach entsprechender Befreiung von der Schweigepflicht sei ein solcher Beweis möglich. Dem sei die Klägerin trotz eines Hinweises des Senats nicht nachgekommen.

Kein Kündigungsgrund bei Äußerungen im WhatsApp-Chat

Handy, WhatsApp, Kündigung

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg erklärte die Kündigung des technischen Leiters eines Vereins für Flüchtlingshilfe, der sich auf WhatsApp herabwürdigend über Flüchtlinge und Mitarbeiter äußerte, für unwirksam. Das Arbeitsverhältnis wurde vom Gericht gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst. 

  • LAG Berlin-Brandenburg; Urteil vom 19.07.2021, Az. 21 Sa 1291/20

Die dem Urteil des LAG zugrundeliegende Fallkonstellation

Der Gekündigte war als technischer Leiter bei einem in der Flüchtlingshilfe tätigen Verein beschäftigt, dessen Arbeit erheblich durch Ehrenamtliche getragen wurde. Der Verein habe im Rahmen der Kündigung eines anderen Angestellten herabwürdigende Äußerungen des technischen Leiters in einem WhatsApp-Chat entdeckt, in welchem sich dieser „in menschenverachtender Weise über Geflüchtete und herabwürdigend über Helferinnen und Helfer“ äußerte. Die Kündigung erfolgte fristgemäß, wurde jedoch vom LAG für unwirksam erklärt. 

Urteil des LAG: Chat fällt unter allgemeines Persönlichkeitsrecht 

Aufgrund der Vertraulichkeit der Kommunikation über WhatsApp können die herabwürdigenden Äußerungen, so das LAG, die Kündigung nicht rechtfertigen. Auch wenn diese verwertbar seien, habe die Kommunikation im kleinen Kreis über private Handys stattgefunden, sodass eine Weitergabe nicht angestrebt gewesen sei. Der Chat falle daher unter das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Ferner sei der gekündigte Mann als technischer Leiter des Vereins keinen besonderen Loyalitätspflichten unterworfen, weil er keine unmittelbaren Betreuungsaufgaben habe. Zudem könne aus den Äußerungen nicht geschlossen werden, dass es dem Mann an dem erforderlichen Maß an Verfassungstreue fehle.

Das Arbeitsverhältnis wurde dennoch auf Antrag des Vereins gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst. Laut Gericht lagen die Voraussetzungen für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses vor, da die Äußerungen des technischen Leiters öffentlich bekannt wurden. Der Gekündigte hätte, wenn er weiterhin beim Verein beschäftigt geblieben wäre, „nicht mehr glaubwürdig gegenüber geflüchteten Menschen“ auftreten können. Der Verein hingegen sei in solch einem Fall bei der Gewinnung ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer sowie hauptamtlichen Personals beeinträchtigt worden. 

Das Gericht hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen.

Ausweitung der Entschädigungsregelungen für Kinderbetreuung

Kind, Mutter, Computer, Pandemie, Kinderbetreuung

Fortan sollen Eltern, welche ihre Kinder aufgrund von Kita- oder Schulschließungen während der Pandemie zu Hause betreuen müssen, zehn zusätzliche Kinderkrankentage erhalten. Die Verlängerung und Ausweitung erfolgte durch das Bundeskabinett. Weitere Regelungen sollen berufstätigen Eltern ebenfalls bei der Bewältigung der Herausforderungen zur Seite stehen. 

Leistungsverweigerungsrecht und Kinderkrankentage

Sofern bei der Schließung von Schulen und Kitas die Betreuung eines Kindes, das aufgrund seines Alters jenes benötigt, nicht anders sichergestellt werden kann, haben die Eltern als Arbeitnehmer grundsätzlich ein Leistungsverweigerungsrecht. In solch einem Fall wird die Erbringung ihrer Leistungsverpflichtung aus dem Arbeitsvertrag unzumutbar, vgl. § 275 Abs. 3 BGB. Voraussetzung hierfür ist, dass keine anderweitige Betreuung etwa durch Nachbarn, den Ehepartner oder eine eingerichtete Notbetreuung möglich ist.

Müssen berufstätige Eltern ihre Kinder zu Hause betreuen, steht ihnen zudem die Möglichkeit zum Bezug von Kinderkrankengeld nach § 45 SGB V zu. Am 13. April 2021 hat das Bundeskabinett ferner eine Ausweitung und Verlängerung der Kinderkrankentage beschlossen. Durch das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22.4.2021 wurde nun der durch das GWB-Digitalisierungsgesetz eingefügte § 45 Abs. 2a SGB V geändert und regelt jetzt eine noch längere Anspruchsdauer auf Kinderkrankengeld für das Jahr 2021. Damit besteht im Jahr 2021 ein Anspruch auf Kinderkrankengeld je Elternteil für jedes Kind für bis zu 30 Arbeitstage und für Alleinerziehende für bis zu 60 Arbeitstage. Bei mehreren Kindern ist der Anspruch je Elternteil auf 65 Arbeitstage und für Alleinerziehende auf 130 Arbeitstage begrenzt. 

Anspruchsberechtigt sind gesetzlich Versicherte, wenn sie mit einem Anspruch auf Krankengeld versichert sind, ein Arzt attestiert, dass sie zur Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege ihres erkrankten und gesetzlich versicherten Kindes der Arbeit fernbleiben müssen, eine andere in ihrem Haushalt lebende Person dies nicht übernehmen kann und das Kind unter 12 Jahren alt ist oder behindert und auf Hilfe angewiesen ist.

Lohnfortzahlung bei Kinderbetreuung

Der Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bleibt gemäß § 616 BGB nur bestehen, wenn die Verhinderung nur eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit andauert. Dies sind nach allgemeiner Auffassung höchstens zehn Tage. Ferner kann der Anspruch aus § 616 BGB durch arbeits- oder tarifvertragliche Vereinbarungen eingeschränkt oder vollständig ausgeschlossen sein.

Demnach entfällt der Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn Schulen und Kitas nicht nur kurzzeitig schließen, sondern einen Betreuungsbedarf über mehrere Wochen entstehen lassen. In einem solchen Fall würde auch ein Anspruch auf Krankengeld bei Erkrankung des Kindes nicht bestehen, weil keine krankheitsbedingte Betreuung des Kindes erfolgt. So sind Arbeitnehmer zunächst darauf angewiesen, Überstunden zu nehmen oder bezahlten oder unbezahlten Urlaub zu nehmen.

Entschädigungsregelungen

Um das Problem des entfallenden Anspruchs auf Lohnfortzahlung während der Pandemie aufzufangen, wurden die gesetzlichen Regelungen im Infektionsschutzgesetz ausgeweitet. Arbeitnehmer haben seit dem 30. März 2020 nach § 56 Abs. 1a IfSG einen Anspruch auf Entschädigung, wenn sie während einer Schul- oder Kitaschließung ihre Kinder selbst betreuen müssen. Die Regelungen betreffen nur solche Eltern mit Kindern unter zwölf Jahren oder behinderten Kindern, die hilfebedürftig sind. Hier gibt es keine Altersgrenze. Auch Eltern, deren Kind unter Quarantäne gestellt ist, können nach der Änderung des § 56 IfSG im „Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ nach § 56 Absatz 1a IfSG einen Anspruch auf Entschädigung haben. Voraussetzung hierfür ist nur die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite.

Besteht der Anspruch, muss der Arbeitgeber den Verdienstausfall in Höhe von 67 Prozent des Nettoeinkommens begrenzt auf einen monatlichen Höchstbetrag von 2.016 Euro erstatten. Diese Verdienstausfallentschädigung kann für maximal zehn Wochen pro Elternteil gezahlt werden. Alleinerziehende haben einen Anspruch auf bis zu 20 Wochen. Arbeitgeber müssen die Entschädigung längstens sechs Wochen für die zuständige Behörde auszahlen, danach ist der Antrag bei der Behörde selbst zu stellen. Die Unternehmen können sich das ausgezahlte Geld von der zuständigen Behörde zurückholen.

Erweitertes Kinderkrankengeld, § 45 SGB V

Die Inanspruchnahme von Kinderkrankengeld setzt grundsätzlich die Betreuung eines kranken Kindes voraus. Aufgrund der Pandemie wurde der Anspruch erhöht. Mittlerweile ist gesetzlich geregelt, dass der Anspruch auf Kinderkrankengeld auch ohne Erkrankung eines Kindes für die Fälle gilt, in denen eine Betreuung des Kindes zu Hause erforderlich wird, weil die Schule oder der Kindergarten pandemiebedingt geschlossen ist oder die Präsenzpflicht im Unterricht ausgesetzt beziehungsweise der Zugang zum Kinderbetreuungsangebot eingeschränkt wurde. Für die Dauer der Zahlung des Kinderkrankengeldes nach § 45 Abs. 1 SGB V in Verbindung mit § 45 Abs. 2a Satz 3 SGB V ruht für beide Elternteile der Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1a Infektionsschutzgesetz (IfSG).

Rechtmäßige Kündigung wegen Entwenden von Desinfektionsmittel

Kündigung, Entwenden, Desinfektionsmittel

Das LArbG Düsseldorf entschied, dass die fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers, der seinem Arbeitgeber Desinfektionsmittel entwendet, rechtmäßig sei. Auch sei aufgrund der besonderen Situation zu Beginn der Coronapandemie eine vorherige Abmahnung des Mitarbeiters nicht erforderlich gewesen.

  • LArbG Düsseldorf, Urteil vom 14.01.2021 – 5 Sa 483/20

Die dem Urteil des LArbG Düsseldorf zugrundeliegende Fallkonstellation

Der Arbeitnehmer war seit dem Jahr 2004 als Be- und Entlader sowie Wäscher für die Fahrzeuge in einem Paketzustellunternehmen tätig. Er übte seine Tätigkeit meist mit sechs bis sieben Kollegen im Rahmen einer Nachtschicht aus und konnte in der Nähe des Arbeitsplatzes seinen eigenen Wagen abstellen. Ende März 2020 fand der Werkschutz bei einer stichprobenartigen Ausfahrtkontrolle in seinem Kofferraum eine nicht angebrochene Plastikflasche mit einem Liter Desinfektionsmittel und eine Handtuchrolle. Der Wert des Desinfektionsmittels betrug zum damaligen Zeitpunkt ca. 40 Euro. Dem Unternehmen war zudem in letzter Zeit mehrfach aufgefallen, dass aus den Waschräumen Desinfektionsmittel entwendet worden waren. Nach einigen Befragungen von Zeugen stimmte der Personalausschuss des Betriebsrats der fristlosen Kündigung des Arbeitnehmers zu, die der Arbeitgeber am 25. März 2020 aussprach.

Der Mitarbeiter wehrte sich gegen diese Kündigung und behauptete, dass er sich während der Arbeit jede Stunde zu seinem Fahrzeug begeben habe, um die Hände zu desinfizieren und abzutrocknen. So habe er das Desinfektionsmittel ausschließlich für sich und eventuell seine Kollegen verwenden wollen, zumal dieses in den Waschräumen nicht immer verfügbar gewesen sei. Bei der Ausfahrt hingegen habe er an die Sachen im Kofferraum nicht mehr gedacht. Auch müsse er kein Desinfektionsmittel stehlen, weil seine Frau in der Pflege arbeite und die Familie über sie ausreichend versorgt sei.

Nach Aussage des Arbeitgebers hingegen habe der Mitarbeiter dem Werkschutz gesagt, dass er zur Mitnahme des Desinfektionsmittels berechtigt gewesen sei, um sich unterwegs die Hände zu desinfizieren. Dabei wies der Arbeitgeber mit Aushängen im Sanitärbereich darauf hin, dass das Mitnehmen von Desinfektionsmitteln eine fristlose Kündigung und Anzeige zur Folge habe.

LArbG Düsseldorf: Fristlose Kündigung rechtmäßig  

Dem Urteil der Vorinstanz folgend erachtete das LArbG Düsseldorf die fristlose Kündigung für rechtmäßig und wies die Kündigungsschutzklage ab. Die Richter waren davon überzeugt, dass der Mitarbeiter das Desinfektionsmittel für den Eigengebrauch gestohlen habe, sodass ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorlag.

Auch die Einlassungen des Arbeitnehmers überzeugten das Gericht nicht. Wenn er, so das LArbG Düsseldorf, das Desinfektionsmittel während der Schicht habe benutzen wollen, wäre es naheliegender gewesen, das Desinfektionsmittel auf den Materialwagen am Arbeitsplatz zu stellen, insbesondere weil in der Nacht außer ihm nur sechs bis sieben Kollegen arbeiteten. Auch die Aussage des Mitarbeiters, er habe das Desinfektionsmittel ferner für die Kollegen verwenden wollen, war für die Richter nicht nachvollziehbar. Der Arbeitnehmer habe seinen Kollegen weder gesagt, wo er das Desinfektionsmittel aufbewahrt habe, noch ihnen den Autoschlüssel gegeben, damit sie es benutzen konnten, zumal die aufgefundene Flasche nicht angebrochen war.

Trotz der langen Beschäftigungszeit des Mitarbeiters hielten die Richter ferner eine vorherige Abmahnung nicht für erforderlich, da der Arbeitnehmer eine nicht geringe Menge Desinfektionsmittel in einer Zeit der Pandemie entwendet habe. Dabei waren ihm die Versorgungsengpässe des Arbeitgebers bewusst. In Anbetracht dieser Umstände habe dem Arbeitnehmer klar sein müssen, dass er mit der Entwendung von Desinfektionsmittel den Bestand seines Arbeitsverhältnisses riskierte. Auch die Interessenabwägung fiel angesichts dieser Umstände zu seinen Ungunsten aus.

Arbeitnehmereigenschaft von Crowdworkern

Arbeitnehmer, Crowdworker

Die heutige Arbeitswelt zeichnet sich durch eine große Vielfalt von Arbeitsformen aus. Eines dieser Formen bildet das sogenannten Crowdworking. Unternehmer lassen hierbei meist kleinteilige Aufgaben von unbekannten Personen ausführen, die sich auf einer Plattform registrieren. Die Crowdworking-Plattform bietet den Nutzer zu erledigende Aufgaben an, welche angenommen werden, um nach Ausführung des Auftrags einen Geldbetrag gutgeschrieben zu bekommen. Während vor fast einem Jahr das LAG München die Crowdworker nicht als Arbeitnehmer klassifizierte, sprach das BAG vor einigen Wochen diesen eine mögliche Arbeitnehmereigenschaft zu.

–  BAG, Urt. v. 01.12.2020, Az.: 9 AZR 102/20

Die dem Urteil des BAG zugrundeliegende Fallkonstellation

Seit Anfang 2017 war ein rund 50-Jähriger Mann als Crowdworker auf einer Internetplattform tätig. Zwischen beiden Parteien bestand eine Basisvereinbarung nebst ergänzenden allgemeinen Geschäftsbedingungen. So erhielt der Mann Zugang zu den auf der Plattform angebotenen Aufträgen, welche er annehmen und für die er sich mittels App bewerben konnte. Die App enthielt ferner ein Belohnungssystem, das regelmäßig Aufträge annehmenden Crowdworkern Erfahrungspunkte und einen damit einhergehenden Zugang zu besseren Aufträgen versprach. In diesem System arbeitete der Mann durchschnittlich 20 Stunden in der Woche und erzielte als Selbstständiger einen monatlichen Durchschnittsverdienst von knapp 1.800 Euro. Der Verdienst wurde auf einem virtuellen Konto gutgeschrieben und später ausgezahlt.

Die Plattform vermittelte ferner die Aufträge von verschiedensten Kunden weiter, schloss die Einzelaufträge hingegen mit den Crowdworkern im eigenen Namen ab, sodass eine vertragliche Beziehung allein zwischen dem Crowdworker und der Plattform bestand.

Nachdem es zu Unstimmigkeiten über die ordnungsgemäße Erledigung von Aufgaben und deren Vergütung gekommen war, teilte der Plattformbetreiber dem später klagenden Crowdworker Anfang April 2018 mit, dass man ihm weder weitere Aufträge anbieten, noch sein Guthaben auszahlen werde. Ferner solle sein Account deaktiviert und gelöscht werden.

Daraufhin erhob der Crowdworker im Juli 2018 Kündigungsschutzklage und begehrte die Feststellung, dass ein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 611a BGB zur Plattform vorliege. Nach seinem subjektiven Empfinden habe für ihn eine Pflicht zur Übernahme von Aufträgen bestanden, da er nur so im Belohnungssystem aufsteigen konnte. Dadurch habe sich bei ihm ein motivationspsychologisch zu erklärender menschlicher Spieltrieb ausgelöst, welchen die Internetplattform ausgenutzt haben soll. Ferner sei er durch die App betrieblich eingebunden gewesen, sodass eine Gesamtbetrachtung für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses spreche.

Urteil der Vorinstanzen: Kein Arbeitsvertrag

Das LAG München teilte in seinem Urteil die Ansicht des Klägers nicht und erklärte, dass ein Vertrag, welches keine direkte Verpflichtung zur Arbeitsleistung begründe, kein Arbeitsvertrag sein könne (Urt. v. 4.12.2019, Az. 8 Sa 146/19). Es fehle an der rechtlich notwendigen persönlichen Abhängigkeit und der Weisungsgebundenheit. Auch könne ein Arbeitsverhältnis nicht dadurch begründet werden, dass ein Crowdworker per Mausklick einen Auftrag zur Bearbeitung annimmt und mit der Internetplattform jeweils ein auf den Ablauf des zur Verfügung stehenden Zeitfensters befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart, welches mangels Wahrung der in § 14 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) verlangten Schriftform nach § 16 TzBfG als auf unbestimmte Zeit abgeschlossenes Arbeitsverhältnis anzusehen sei. 

Der Kläger legte daraufhin Revision zum BAG ein.

Urteil des BAG: Crowdworker können Arbeitnehmer sein

Das BAG entschied im Sinne des Klägers und klassifizierte den Crowdworker als Arbeitnehmer. Der Kläger habe in arbeitnehmertypischer Weise weisungsgebundene und fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit geleistet. Zwar habe keine Verpflichtung zur Annahme von Angeboten der Internetplattform bestanden, doch sei die Struktur des Portals darauf ausgerichtet gewesen, dass eingearbeitete Nutzer kontinuierlich und einfacher vertraglich vorgegebene Kleinstaufträge annehmen, um diese persönlich zu erledigen.

Dennoch war der Crowdworker mit seiner Klage nicht ganz erfolgreich, weil die Plattform die Kündigung ausgesprochen hatte. Als der Crowdworker über die Plattform vermittelte Aufträge abgearbeitet hatte, war er für diese Zeit nach Auffassung der Erfurter Arbeitsrichter als Arbeitnehmer mit den entsprechenden Rechten und Pflichten zu qualifizieren. Hinsichtlich der geltend gemachten Vergütungsansprüche verwies das BAG die Sache an die Vorinstanz zurück, nachdem es diese Grundsatzfrage entschieden hatte.

Arbeitsrechtliche Neuregelungen 2020/2021

Arbeitsrecht, Neuregelungen, 2020/2021

Neuerungen für Unternehmer 

Kurzarbeitergeld bis 2021

Die Sonderregeln zum Kurzarbeitergeld wurden verlängert und gelten über das Jahresende hinaus. Bezweckt wird, Unternehmern und Beschäftigten mehr Sicherheit zu gewährleisten. So wird ab dem vierten Bezugsmonat das Kurzarbeitergeld von 60 % auf 70 % erhöht, für Berufstätige mit Kindern von 67 auf 77 %, ab dem siebten Monat Kurzarbeit auf 80% bzw. 87 % des Monatslohns. Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld bleiben auch im Jahr 2021 steuerfrei.

Corona-Bonus weiterhin steuerlich begünstigt 

Wer als Arbeitgeber im Rahmen der Coronakrise den Beschäftigten einen Bonus zahlt, genießt auch in diesem Jahr steuerliche Begünstigung. Die Frist für die Zahlung des Bonus wurde vom 31.12.2020 bis zum 30.6.2021 verlängert. Die Steuerbefreiung ist jedoch insgesamt nur einmal möglich.

Mehrwertsteuer steigt erneut auf 19%

Die temporär von 19 % auf 16 % gesenkte Mehrwertsteuer läuft zum 1.1.2021 aus. Sofern auf einen Auftrag aus dem Jahr 2020 Anzahlungen angenommen wurden, sind diese nach dem alten Satz von 16% zu versteuern. Falls die Schlussrechnung 2021 erfolgte, sind die Zahlungen nach dem erhöhten Steuersatz zu versteuern.

Überbrückungshilfe III

Ab dem 1.1.2021 gilt die Überbrückungshilfe III, welches zunächst bis Ende Juni 2021 läuft. Bezweckt wird, Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb im Rahmen der Pandemie einstellen oder einschränken mussten, finanziell zu unterstützen. Anspruchsberechtigt sind Unternehmen, die seit dem 16.12.2020 von dem harten Lockdown betroffen sind. Die Überbrückungshilfe orientiert sich bei der Bemessung der Höhe der Zahlungen nicht an dem Umsatz, sondern ausschließlich an den Betriebskosten und wird als Vorschuss ausgezahlt.

Vereinfachter Zugang zur Grundsicherung weiterhin möglich

Auch in diesem Jahr besteht der Anspruch auf vereinfachten Zugang zur Grundsicherung im Falle pandemiebedingter Not fort. Diese Regelung wurde bis zum 31.3.2021 verlängert und soll insbesondere Kleinunternehmen unterstützen.

Verbot von Leiharbeit und Werkverträgen in der Fleischindustrie

Durch das Arbeitsschutzkontrollgesetz sollen künftig sichere und geordnete Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie gewährleistet werden. So ist die Leiharbeit ab dem 1.4.2021 in weiten Bereichen der Schlachtereien nicht mehr erlaubt. Des Weiteren sind ab dem 1.1.2021 Werkverträge und ab dem 1.4.2021 die Zeitarbeit verboten. Schlachtungen dürfen nur noch vom Stammpersonal durchgeführt werden.

Von obigen Neuregelungen und Verboten sind Fleischerhandwerke mit Betrieben von weniger als 50 Beschäftigten ausgenommen. Eine andere Ausnahme sieht ferner vor, dass auf Grundlage eines Tarifvertrages Auftragsspitzen in der Fleischverarbeitung durch Leiharbeit aufgefangen werden dürfen, dies jedoch nur unter strengen Auflagen und befristet auf maximal drei Jahre. Zudem müssen Arbeitgeber in der Fleischindustrie, mit Ausnahme des Fleischerhandwerks, zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ihrer Belegschaft künftig elektronisch aufzeichnen.

Neuerungen für Arbeitnehmer 

Höherer Mindestlohn

Der gesetzliche Mindestlohn wird erhöht und steigt zum 1. Januar 2021 von 9,35 Euro auf 9,50 Euro, ab 1.7.2021 auf 9,60 Euro, ab dem 1.1.2022 auf 9,82 Euro und ab dem 1.7.2022 auf 10,45 Euro. Mit der Anhebung des Mindestlohns reduziert sich die erlaubte monatliche Arbeitszeit für Minijobs von im Jahresschnitt bisher 48 Stunden pro Monat auf ca. 47 Stunden im Monat.

Entlastung für Pendler 

Pendler werden ab dem 1.1.2021 entlastet. Die Entfernungspauschale wird ab dem 21. km um fünf Cent auf 35 Cent angehoben. Für Geringverdienende, die nicht der Steuerpflicht unterliegen, hat der Gesetzgeber eine Mobilitätsprämie eingeführt, dies in Höhe von 14 % der neuen Entfernungspauschale.

Bessere Entlohnung für Pflegekräfte

Der Mindestlohn in der Pflege steigt für qualifizierte Pflegehilfskräfte ab 1.4.2021 auf 12,50 Euro West und 12,20 Euro Ost und ab 1.4.2022 auf einheitlich 13,20 Euro Ost und West, für qualifizierte Pflegekräfte ab 1.7.2021 auf 15 Euro, ab 1.4.2022 auf 15,40 Euro. Außerdem erhalten Pflegekräfte künftig mehr Urlaub (+ 6 Tage bei einer Fünf-Tage-Woche).