Änderungen des AÜG ab dem 01.04.2017

Der Gesetzgeber hat einige Änderungen des AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) beschlossen, die zum 01.04.2017 in Kraft treten werden. Welche diese sind und welche Auswirkungen diese auf die Leiharbeit haben, soll im folgenden Beitrag kurz zusammengefasst werden. Die vollständigen Gesetzesänderungen finden Sie auf der Seite des Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Überlassungshöchstdauer

Bisher darf die Überlassung von Arbeitnehmern an einen Entleiher nach dem Gesetzeswortlaut nur vorübergehend erfolgen, § 1 Abs. 1 S.2 AÜG

Dies soll sich mit den Änderungen des AÜG nun ändern, daher wird eine Höchstdauer für die Entleihung bestimmt in Höhe von 18 Monaten. Allerdings beginnt die Frist erneut zu laufen, sollten zwischen zwei Einsätzen desselben Leiharbeiters beim gleichen Entleiher mehr als drei Monate liegen. Da die Vorschrift personenbezogen, nicht arbeitsplatzbezogen, sein wird, bleibt es Leiharbeitgebern offen dem Entleiher einen anderen Leiharbeitnehmer für die Dauer der Unterbrechung zu überlassen. Außerdem kann durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung die maßgebliche Höchstdauer erhöht werden, so dass es in der Praxis wohl auf mindestens 24 Monate statt 18 Monate Überlassungshöchstdauer hinauslaufen wird.

Grundsatz der gleichen Bezahlung – „Equal Pay“

Nach den Änderungen des AÜG sollen Leiharbeiter künftig spätestens nach neun Monaten gleiches Gehalt im Vergleich zum Stammpersonal des Entleihers bekommen. Beginn der neun-Monate-Frist kann allerdings frühestens der 01.04.2017 sein, so dass die Dauer der bestehenden Leiharbeitsverhältnisse nicht angerechnet wird. Besteht ein Branchenzuschlagstarif, wird ein größerer Spielraum gegeben sein. In diesem Fall wird es möglich sein für die Dauer von 15 Monaten ungleiches Gehalt zu zahlen.

Außerdem kann zusätzlich noch vereinbart werden, dass die 15-monatige Einsatzzeit erst ab einer Einarbeitungszeit von sechs Wochen beginnt.

Kein Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher

Unternehmen konnten im Falle von Streiks auf Leiharbeitnehmer zugreifen, um die fehlende Belegschaft zu kompensieren. Künftig dürfen Leiharbeiter jedoch nicht mehr als Streikbrecher eingesetzt werden und zwar auch dann nicht, wenn sie trotz Kenntnis des Streiks bereits waren für den Entleiher zu arbeiten. Es bleibt jedoch offen, ob Leiharbeiter in nicht streikbetroffenen Abteilungen des Entleihers eingesetzt werden dürfen.

Verbot der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung

Entleiher und Zeitarbeitsunternehmen müssen nun von Beginn an vereinbarte Arbeitnehmerüberlassungen auch als solche und nicht als Dienst – oder Werkvertrag kennzeichnen. Bei Fehlern kann dies schwerwiegende Folgen für den Entleiher haben, denn es wird ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Zeitarbeitnehmer fingiert. Der Leiharbeitnehmer kann jedoch binnen des ersten Monats nach der Überlassung bzw. innerhalb des ersten Monats nach der Feststellung der Unwirksamkeit der Überlassung erklären, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhalten möchte.

Zusammenfassung zu den Änderungen des AÜG ab dem 01.04.2017

Die meisten der neuen Regelungen scheinen den Leiharbeitnehmer auf den ersten Blick zu begünstigen, so wird eine gesetzliche Höchstdauer der Überlassung festgeschrieben, gleiche Bezahlung nach einem festgelegten Zeitraum vorausgesetzt und ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher auch dann fingiert, wenn der Verleiher über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügt. In der Praxis wird es jedoch möglich sein diese Vorschriften durch vertragliche, tarifliche und betriebliche Regelungen zu umgehen bzw. aufzulockern.

Bei allen arbeitsrechtlichen Fragen steht Ihnen unser Rechtsanwalt Mahir Özüdogru aus Neuss gerne zur Verfügung.

Fälligkeit der Abfindung – Haftung des Arbeitgebers für Steuerschäden

Das Bundesarbeitsgericht hatte darüber zu entscheiden, ob Arbeitgeber für Steuerschäden haften, wenn sie vor der Fälligkeit der Abfindung die Zahlung an den Arbeitnehmer tätigen. Es handelt sich um ein Urteil mit hoher Praxisrelevanz, welches bei jeder Abfindungszahlung beachtet werden sollte.

BAG 23.06.2016 – 8 AZR 757/14

Hintergrund der Entscheidung

Abfindungen unterliegen, wie das übliche Gehalt, der Lohnsteuer, da sie nach dem Einkommenssteuergesetz ei­ne Ein­nah­me aus nicht­selbstständi­ger Ar­beit dar­stellten.

Der Zeit­punkt, an dem die Ab­fin­dung ge­zahlt wer­den muss (Fälligkeit) ist nor­ma­ler­wei­se der Zeit­punkt, an dem das Ar­beits­verhält­nis en­det. Der Fällig­keits­zeit­punkt kann je­doch für den Ar­beit­neh­mer steu­er­lich ungüns­tig sein. Denn ei­ne Ab­fin­dung, die auf ein­mal ge­zahlt wird, kann das Jah­res­ein­kom­men, dass der Be­rech­nung der Steu­er zu­grun­de ge­legt wird, so erhöhen, dass der Steu­er­satz und die vom Ar­beit­neh­mer zu zah­len­den Steu­ern sehr hoch aus­fal­len. Die steu­er­li­che Pri­vi­le­gie­rung von Ab­fin­dungs­zah­lun­gen (Fünf­te­lungs­re­ge­lung) gemäß § 34 EStG kom­pen­siert dies nicht aus­rei­chend.

Daher kann es bei der Bestimmung des Fälligkeitszeitpunktes steuerlich von Vorteil sein, diesen auf das kommende Jahr zu legen, weil sich der Steuersatz und/oder das voraussichtliche Gehalt ändern wird oder gar die Abfindungszahlung auf mehrere Jahre zu erstrecken. Diese Vorgehensweise wurde zuletzt vom Bundesfinanzhof als zulässig anerkannt.

Zahlung vor Fälligkeit der Abfindung

Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen bestimmten Fälligkeitszeitpunkt geregelt haben, stellt sich nun die Frage, ob der Arbeitgeber für den entstandenen Steuerschaden aufkommen muss, wenn er tatsächlich früher, also vor der Fälligkeit der Abfindung, zahlt. Dies Fall kann sowohl aus Unachtsamkeit, als auch durch Vorsatz des Arbeitgebers eintreten.

So auch im folgenden Fall, der dem BAG vorlag:

Arbeitgeber und Arbeitnehmer hatten vereinbart, dass die gesamte Abfindung mit dem regulären Gehaltslauf des auf den Beendigungsmonat folgenden Kalendermonats ausbezahlt wird. Der Arbeitnehmer schied mit Ablauf des Dezembers 2011 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Das Unternehmen zahlte die Abfindung nicht erst Ende Januar 2012 aus, sondern bereits im Dezember 2011. Bei Zahlung im Januar 2012 hätte der Arbeitnehmer rund 5.000 Euro weniger Steuern zahlen müssen. Diesen Steuerschaden hat er eingeklagt, jedoch in allen drei Instanzen verloren.

Alle drei Gerichte waren der Auffassung, dass es sich nur um eine reine Fälligkeitsklausel handle, die dem Arbeitgeber eine Erfüllung des Anspruchs vor Fälligkeit der Abfindung nicht verbiete.

Empfehlung unseres Rechtsanwalts aus Neuss

Diese Entscheidung berührt in erster Linie die Belange des Arbeitnehmers, da ihm bei einer Zahlung vor Fälligkeit der Abfindung ein erheblicher Steuerschaden entstehen kann. Nicht selten beruht die Abfindung auf einer gerichtlichen Auseinandersetzung und der Einsicht des Arbeitgebers, dass das Fortführen des Verfahrens aufgrund des Annahmeverzugslohns ein hohes finanzielles Risiko in sich birgt. Umso mehr könnte der Arbeitgeber bei einer verfrühten Abfindungszahlung die Absicht haben, den beabsichtigten Steuervorteil des Arbeitnehmers, zu einem Steuernachteil zu drehen.

Rechtsanwalt Mahir Özüdoğru rät daher bei der Formulierung von Fälligkeitsregelungen klare Angaben zu machen, wie: „Die Abfindung ist zahlbar bis zum 31.01.XX, jedoch nicht vor dem 01.01.XX“

Weihnachtsgeld bei Kündigung

Rund jeder zweite Arbeitnehmer in Deutschland darf sich zurzeit über Weihnachtsgeld, auch oft als 13. Monatsgehalt bezeichnet, freuen. Häufig findet diese Art der Sonderzahlung ihre Rechtsgrundlage in den Arbeitsverträgen, Tarifverträgen oder in der betrieblichen Übung. Arbeitnehmer, denen das Arbeitsverhältnis jedoch vor Auszahlung des Weihnachtsgelds gekündigt wurde oder, die vor Auszahlung des Weihnachtsgelds risikolos kündigen möchten, stehen vor der Frage, ob sie ihren Anspruch auf Weihnachtsgeld verlieren oder nicht.

Um diese Frage beantworten zu können, muss zwischen drei Arten von Weihnachtsgeld unterschieden werden.

1. Weihnachtsgeld als Belohnung für die bisherige Zusammenarbeit

Häufig wollen Arbeitgeber durch diese Art der Sonderzahlung ihre Mitarbeiter für die gute Zusammenarbeit zusätzlich belohnen. In diesem Fall erwirbt der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Weihnachtsgeld, welcher aus seiner vergangenen Leistung an den Arbeitgeber resultiert. Unerheblich daher ist, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Auszahlung weiterhin Beschäftigter ist oder nicht, da seine vergangenen Leistungen dennoch erbracht wurden. Scheidet ein Arbeitnehmer daher vorzeitig aus, ist bei dieser Art des Weihnachtsgelds zumindest ein anteiliger Anspruch entstanden. Verlässt er das Unternehmen beispielsweise zum 30.06. des Jahres, hat er einen Anspruch auf hälftiges Weihnachtsgeld.

2. Weihnachtsgeld als Belohnung für die Betriebstreue

Manche Arbeitgeber beabsichtigen jedoch, mit der Auszahlung des Weihnachtsgelds ausschließlich die Betriebstreue des Arbeitnehmers zu belohnen. In diesen Fällen würde es dem Zweck der Auszahlung zuwiderlaufen, Weihnachtsgeld auch ausgeschiedenen Arbeitskräften zu gewähren. Häufig ist dieser Zweck daher im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag festgehalten und könnte wie folgt formuliert sein:

„Ein Anspruch auf Zahlung der Gratifikation besteht nur dann, wenn der Arbeitnehmer bis zum 30.11.XX in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zu uns besteht.“

Aus dieser Klausel kann man erkennen, dass der Arbeitgeber mit der Zahlung des Weihnachtsgelds die Betriebstreue des Arbeitnehmers honorieren möchte. In diesem Fall würde der Arbeitnehmer kein Weihnachtsgeld bei Kündigung erhalten.

3. Weihnachtsgeld mit Mischcharakter

Nicht selten wird das Weihnachtsgeld jedoch aus mehreren Gründen gleichzeitig gezahlt. Zum einen soll die Betriebstreue belohnt werden, zum anderen soll aber auch die bisherige Zusammenarbeit honoriert werden. Die Feststellung, dass auch die bisherige Arbeitsleistung vergütet werden soll, ergibt sich meist aus einer Klausel im Arbeitsvertrag, wonach die Sonderzahlung für Zeiten ohne Arbeitsleistung gemindert, im Ein- oder Austrittsjahr anteilig gezahlt wird oder sich die Höhe nach dem Erreichen persönlicher oder Unternehmensziele ausrichtet.

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden (BAG, Urteil vom 13. November 2013, Az. 10 AZR 848/12), dass eine solche Mischzahlung nicht von einer Stichtagsklausel abhängig gemacht werden kann. Entsprechende Klauseln im Arbeitsvertrag benachteiligen den Arbeitnehmer unangemessen und sind unwirksam. Trotz der Regelung im Arbeitsvertrag hat der Arbeitnehmer Anspruch auf anteiliges Weihnachtsgeld bei Kündigung.

Empfehlung unseres Anwalts zum Thema Weihnachtsgeld bei Kündigung

Ob Arbeitnehmer auch bei vorzeitiger Beendigung einen Anspruch auf Auszahlung des Weihnachtgelds haben und von einem 13. Monatsgehalt sprechen dürfen, hängt vom Einzelfall und der verwendeten Klausel im Arbeits – oder Tarifvertrag ab. Lediglich für den Fall, dass das Weihnachtsgeld ausschließlich die Betriebstreue belohnen soll, kann der Anspruch entfallen. Sollte Ihnen bei vorzeitiger Beendigung kein (anteiliges) Weihnachtsgeld gezahlt werden, empfiehlt Rechtsanwalt Mahir Özüdogru aus Neuss die rechtliche Überprüfung Ihres Arbeitsvertrags bzw. des einschlägigen Tarifvertrags, bevor etwaige vertragliche Verfallklauseln greifen können.

Arbeitgebern wird hingegen geraten Mischformklauseln zu vermeiden, da diese die, zumindest anteilige, Entstehung des Anspruchs nicht verhindern können. Möchte der Arbeitgeber die reine Betriebstreue belohnen, sollte dies aus den jeweiligen Regelungen unmissverständlich hervorgehen. Im Übrigen lässt sich diese Klausel auch mit Rückzahlungsbedingungen verknüpfen, sollte der Arbeitnehmer im ersten Abschnitt des folgenden Jahrs ausscheiden.

Personalgespräch während der Arbeitsunfähigkeit

Nach einer Entscheidung des BAG vom 02.11.2016 ist der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht verpflichtet an einem Personalgespräch während der Arbeitsunfähigkeit auf Anordnung des Arbeitgebers teilzunehmen. Eine diesbezüglich ausgesprochene Abmahnung ist unwirksam.

BAG vom 02.11.2016 Akz. 10 AZR 596/15

Abmahnung wegen Verweigerung des Personalgesprächs

Mit einer Klage wehrte sich ein Krankenpfleger gegen eine nach längerer Krankheitszeit ausgesprochene Abmahnung und verlangte deren Löschung aus der Personalakte. Vor Ausspruch der Abmahnung forderte die beklagte Arbeitgeberin den Krankenpfleger auf, in den Geschäftsräumlichkeiten zu erscheinen, um eine Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten herbeizuführen. Dieser Aufforderung kam der Krankenpfleger mit Hinweis auf seine noch bestehende Arbeitsunfähigkeit nicht nach, weshalb er anschließend eine Abmahnung erhielt.

Voraussetzungen für ein Personalgespräch während der Arbeitsunfähigkeit

Das Bundesarbeitsgericht wies zunächst darauf hin, dass vom Arbeitgeber angeordnete Personalgespräche Bestandteil arbeitsvertraglicher Nebenpflichten seien. Entsprechend habe ein Arbeitnehmer während der Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit keine Arbeitsleistung zu erbringen, weshalb auch keine Pflicht zum Erscheinen bei Personalgesprächen während der Arbeitsunfähigkeit bestünde. Während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit sei es dem Arbeitgeber allerdings nicht gänzlich untersagt, mit dem erkrankten Arbeitnehmer in einem zeitlich angemessenen Umfang in Kontakt zu treten, um die Möglichkeiten der weiteren Beschäftigung nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit zu besprechen. Der arbeitsunfähige Arbeitnehmer sei jedoch nicht verpflichtet, hierzu auf Anweisung des Arbeitgebers im Betrieb zu erscheinen, es sei denn, dies sei ausnahmsweise aus betrieblichen Gründen unverzichtbar und der Arbeitnehmer sei dazu gesundheitlich in der Lage.

Im vorliegenden Fall habe die Beklagte nicht nachweisen können, dass dringende betriebliche Gründe bestanden und ein Abwarten bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit daher unzumutbar gewesen wäre.

Die Empfehlung unseres Rechtsanwalts aus Neuss

Anwalt Mahir Özüdoğru rät Arbeitnehmern trotz des sie begünstigenden Urteils zur Vorsicht. Sollte der Arbeitgeber dringende betriebliche Gründe nachweisen können, die ein Abwarten bis zur Beendigung der Arbeitsunfähigkeit unzumutbar machen würden, muss der Arbeitnehmer unter Umständen seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbinden und nachweisen, dass seine Arbeitsunfähigkeit so gravierend war, dass er nicht in der Lage war bei der Arbeit zu Erscheinen um ein Gespräch zu führen. Arbeitgebern wird wiederum geraten keine voreilige Abmahnung aufgrund des Nichterscheinens auszusprechen, da sie sonst unnötigerweise eine Schwächung der Autorität bei der Arbeit in Kauf nehmen könnten.

Schadensersatz bei fehlenden Kitaplätzen

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Eltern gegen ihre Kommune einen Anspruch auf Schadensersatz bei fehlenden Kitaplätzen haben können, wenn die Eltern aufgrund dessen angehalten werden länger zu Hause beim Kind zu bleiben, statt arbeiten zu gehen.

BGH vom 20.10.2016 Akz. III ZR 278/15, III ZR 302/15, III ZR 303/15

Anspruch auf Kitaplatz ab dem ersten Lebensjahr

Grundlage der Entscheidung ist die Regelung des § 24 Abs. 2 SGB VIII. Dort ist geregelt:
„Ein Kind, das das erste Lebensjahr vollendet hat, hat bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege.“

 

So hatten vorliegend drei Mütter nach Ablauf der einjährigen Elternzeit beabsichtigt ihre Vollzeitbeschäftigungen wiederaufzunehmen. Zu diesem Zweck wollten sie ihre Kinder in pünktlich in Kindertagesstätten der beklagten Stadt abgeben. Diese gab jedoch an, nicht über ausreichende Kitaplätze zu verfügen. Die Klägerinnen beriefen sich auf ihren normierten Rechtsanspruch und verlangten von der Stadt als Ausgleich Schadensersatz in Form entgangenen Gewinns, da sie ihre Arbeit nicht aufnehmen konnten.

Entscheidung der Gerichte über den Schadensersatz bei fehlenden Kitaplätzen

Das Landgericht Leipzig hatte den Klagen zunächst stattgegeben. Das OLG Dresden hingegen wies die Klagen nach eingelegter Berufung ab. Das Gericht war der Ansicht, dass zwar eine Amstpflichtverletzung seitens der beklagten Stadt vorliege, hieraus aber noch kein Entschädigungsanspruch aufgrund Verdienstausfalls folge. Der BGH hat dieses Urteil nun aufgehoben und dies Sache zur Neuverhandlung an das OLG Dresden zurückverwiesen.

Aus der Amstpflichtverletzung können Schadensersatzansprüche resultieren

Nach der Auffassung des BGH trage die Stadt die Pflicht zur Schaffung von Kitaplätzen, sofern die Kapazitäten nicht ausreichen. Insofern treffe die Stadt eine Gewährleistungspflicht. Handelt die Kommune nicht, obwohl sie Kenntnis vom bevorstehenden Bedarf hat, können Schadenersatzansprüche der betroffenen Eltern ausgelöst werden, da § 24 Abs. 2 SGB VIII auch den Schutz der Interessen der personenberechtigten Eltern bezwecke. Hierunter können konsequenterweise auch Schäden durch Verdienstausfälle fallen, auch wenn das Gesetz primär die Ansprüche des Kindes schützen wolle. Der Gesetzgeber habe neben dem Kindeswohl auch die Entlastung der Eltern zu Gunsten der Aufnahme oder Weiterführung einer Erwerbstätigkeit beabsichtigt.

Schließlich könne sich die Beklagte auch nicht mit Erfolg auf finanzielle Engpässe als Grund für den Mangel an Kitaplätzen berufen. Nach der Entscheidung des Gesetzgebers habe die Kommune trotz finanzieller Notlagen für eine ausreichende Anzahl an Kitaplätzen Sorge zu tragen.

Empfehlung der Anwälte aus Neuss

Es handelt sich um ein richtungsweisendes Urteil, welches die Haftbarkeit von Kommunen klar regelt. Wichtig ist, dass Eltern nun auch ein finanzieller Ausgleichsanspruch für Schäden zusteht, die aus einem Mangel an Kitaplätzen resultieren. Vorsicht sollte jedoch bei der Durchsetzung der Ansprüche geboten sein: Im Zweifel haben Eltern zu beweisen, dass ihnen ein Verdienst entgangen ist. Neben einer sicheren Jobaussicht bzw. Weiterbeschäftigung dürfte sicherlich auch die Rechtzeitigkeit der Anmeldung eines Kindes für einen Kitaplatz eine wichtige Rolle spielen. Unser Anwalt im Sozialrecht, Herr Zafer Özkan, und unser Rechtsanwalt im Arbeitsrecht, Herr Mahir Özüdogru, beraten Sie gerne bezüglich ihrer etwaigen Ansprüche und vertreten Sie, wenn notwendig, auch vor Gericht.

EUGH: Scheinbewerbung ohne Entschädigung nach dem AGG

Der EUGH hat entschieden, dass eine Scheinbewerbung ohne Entschädigung bleibt, da es sich um ein rechtsmissbräuchliches Verhalten handeln würde, welches nicht von den EU-Antidiskriminierungsrichtlinien geschützt werden dürfe.

EUGH Urteil vom 18.07.2016 – Volltext

Bewerbender Anwalt erhoffte sich eine Entschädigung

Der Entscheidung des EUGH lag folgender Fall zugrunde: Ein Rechtsanwalt bewarb sich auf eine Stelle eines Versicherungsunternehmens. Diese suchte laut ihrer Stellenausschreibung jedoch nur Berufsanfänger und lehnte den Bewerber ab. Der Anwalt, dessen Berufsabschluss bereits mehrere Jahr zurücklag, forderte daraufhin 14.000 EUR Entschädigung wegen Altersdiskriminierung. Das Versicherungsunternehmen lud ihn daraufhin zum Vorstellungsgespräch. Der Aufforderung kam der Anwalt nicht nach und verlangte weiterhin Entschädigung. Da er zudem erfuhr, dass das Unternehmen nur Frauen beschäftigte, erhöhte er die Entschädigungsforderung um 3.500 EUR wegen Geschlechterdiskriminierung.

Scheinbewerbung ohne Entschädigung

Sowohl das erstinstanzliche Arbeitsgericht, als auch das Landgericht gaben der Klage des Bewerbers nicht statt. Die Revision des Klägers hatte zur Folge, dass das Bundesarbeitsgericht den EUGH anrief um eine Grundsatzentscheidung herbei zu führen. Der EUGH entschied sodann am 18.07.2016 über die Nichtanwendbarkeit von unionsrechtlichen Antidiskriminierungsrichtlinien bei Bewerben, deren Zweck es erkennbar sei Entschädigungszahlungen auszulösen und keine ernsthaften Absichten an der Besetzung der ausgeschriebenen Stelle hätten.

Die Empfehlung unseres Anwalts mit Schwerpunkt im Arbeitsrecht  

Sowohl die deutschen Gerichte, als auch der EUGH haben richtungsweisende und faire Urteile gesprochen. Das AGG soll denjenigen Arbeitnehmern und Bewerbern dazu dienen Diskriminierungen im Berufsleben zu entkommen. Hierbei sollen Entschädigungszahlungen als Mittel zum Zweck erfolge. Diese Gesetzgeberabsicht wurde in der Vergangenheit nicht selten von Bewerbern ausgenutzt, welche sich absichtlich auf erkennbar nicht erreichbare Stellen bewarben, nur um Entschädigungsansprüche auszulösen. Diese Entschädigungsjagd dürfte durch den entschiedenen Fall zumindest abgebremst werden. Rechtsanwalt Mahir Özüdogru aus Neuss rät dennoch Arbeitgebern zur Vorsicht, da dieses Urteil keinen Freibrief darstellt, um Diskriminierungen in der Stellenausschreibung zu verwenden, frei nach dem Motto, wer sich trotzdem auf die Stelle bewirbt, wird keine ernsten Absichten haben. Lassen Sie im Zweifel Ihre Stellenausschreibungen durch einen auf das Arbeitsrecht spezialisierten Anwalt überprüfen. Dies kostet wenig Zeit, kann Sie aber unter Umständen davor bewahren bis zum BAG oder gar EUGH prozessieren zu müssen.

Muss ich bei Krankheit zu Hause bleiben?

Viele Arbeitnehmer beschäftigt die Frage, wie sie sich verhalten müssen, wenn sie arbeitsunfähig krank sind – muss ich bei Krankheit zu Hause bleiben? Für die meisten dürfte dabei klar sein, dass Sie während der Arbeitsunfähigkeit beispielsweise keiner Extremsportart nachgehen dürfen und es unvorteilhaft enden könnte, wenn sie beim Feiern erwischt werden. Doch wie verhält es sich mit der Frage, ob man bei Krankheit zu Hause bleiben muss und so quasi einem Hausarrest unterliegen würde?

Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Verlassen der Wohnung

Das Gesetz regelt in § 3 I EntFG die Pflicht des Arbeitgebers zur Fortzahlung des durchschnittlichen Gehalts im Falle von Arbeitsausfall durch Arbeitsunfähigkeit. Keine Aussagen trifft es bezüglich des Ausmaßes der Arbeitsunfähigkeit, da die denkbaren Fälle, in den Arbeitsunfähigkeit vorliegen könnte ins unermessliche gehen und daher nicht abschließend geregelt werden können. Der Arbeitnehmer hat im Gegenzug eine Rücksichtnahmepflicht. Dies bedeutet, dass er eine schnellstmögliche Genesung zu fördern hat, beispielsweise durch rechtzeitige Behandlung oder Schonung, und Dinge zu unterlassen hat, die diese Genesung gefährden könnten.

Vollständiger Gesetzestext auf www.gesetze-im-internet.de

 

Hier zwei anschauliche Beispiele zur Frage, ob man bei Krankheit zu Hause bleiben muss:

Beispiel 1:

Der Arbeitnehmer verletzt sich bei der Arbeit an der Schulter und wird daraufhin von seinem Arzt für arbeitsunfähig erklärt. Während der laufenden Arbeitsunfähigkeit verlässt der Arbeitnehmer das Haus und wird beim Handballspielen beobachtet. Dies kann dazu führen, dass der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung einstellt, da ein offensichtlicher Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vorliegt.

 

Beispiel 2:

Im obigen Beispiel verlässt der Arbeitnehmer das Haus, um einen Spaziergang zu machen und Einzukaufen. Ein Verstoß liegt nicht vor, da seine Verletzung durch das Spazieren oder das Einkaufen nicht verschlimmert wird. Im Gegenteil, seine Genesung wird sogar bei frischer Luft gefördert und er erlebt wohltuende Abwechslung.

 

Sollte ich bei Krankheit zu Hause bleiben?

Wichtig sind somit die Umstände des Einzelfalls. Das reine Verlassen des Hauses oder der Wohnung stellt noch keinen Grund dar, um eine Abmahnung, eine Kündigung oder Einstellung des Entgeltfortzahlungsanspruchs zu riskieren. Nur in den seltensten Fällen ist es denkbar, dass bereits das Verlassen des Hauses eine Gefährdung der Gesundheit zur Folge haben könnte. Kranksein bedeutet daher nicht automatisch bettlägerig zu sein.

Empfehlung unseres Rechtsanwalts aus Neuss

Unser Anwalt Mahir Özüdogru aus Neuss mit Schwerpunkt im Arbeitsrecht möchte den Arbeitnehmern die Sorge vor Konsequenzen durch das Verlassen der Wohnung während der Krankheitszeit nehmen. Viele Arbeitnehmer sperren sich selbst zu Hause ein, um ja keine Nachteile zu riskieren. Dabei ist es vielfach für die Gesundheit förderlich und die Ängste sind in Wirklichkeit unbegründet.

Arbeitgebern wird hingegen empfohlen Arbeitnehmern, die vermeintlich krankfeiern, nicht voreilig Abmahnungen oder Kündigungen auszusprechen, da dies einen Prozess mit hohem Niederlagenrisiko herbeiführen könnte. In diesem Fall würden Sie noch schlechter dastehen als davor. Warten Sie mit den rechtlichen Konsequenzen, bis sie handfeste Beweise dafür haben, dass der Arbeitnehmer seine Krankheit nur vortäuscht.

 

 

 

 

Diskriminierung wegen Schwerbehinderung – Entschädigung nach dem AGG

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass bereits das Nichteinladen eines schwerbehinderten Bewerbers zum Vorstellungsgespräch ausreichend sein kann, um die Vermutung zu begründen, dass der Bewerber aufgrund seiner Schwerbehinderung nicht eingeladen wurde. Diese Vermutung wird umso mehr bestätigt, sollte der Bewerber im Übrigen ausreichende Qualifikationen besitzen, um die Stelle auszufüllen.

Schwerbehinderter wurde nicht zum Vorstellungsgespräch geladen

Der Entscheidung des Gerichts lag folgender Fall zu Grunde: eine schwerbehinderte Person bewarb sich auf eine ausgeschriebene Stelle als technischer Angestellte für die Leitung des Sachgebiets Betriebstechnik. Aus dem Bewerbungsschreiben ging klar hervor, dass der Bewerber einen Behinderungsgrad von 50 und somit per Gesetz die Eigenschaft der Schwerbehinderung hatte. Außerdem gab er an, ausgebildeter Zentralheizungs – und Lüftungsbauer sowie staatlich geprüfter Umweltschutztechniker zu sein. Die beklagte Stadt lud den Schwerbehinderten nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein und besetzte die Position stattdessen mit einem anderen Bewerber.

Zahlung einer Entschädigung auf Grund von Diskriminierung

Der Kläger fühlte sich von der Maßnahme diskriminiert und verlangte von der beklagten Stadt eine Entschädigungszahlung gemäß § 15 II AGG.

Dort heißt es:

„Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.“

Bereits die Tatsache, dass er nicht zum Vorstellungsgespräch gerufen worden sei, begründe die berechtigte Vermutung, dass seine Schwerbehinderung der Grund hierfür sei.

Die beklagte Stadt bestritt den Vorwurf und behauptete der Kläger sei fachlich offensichtlich ungeeignet gewesen, um die Stelle besetzen zu können.

Diskriminierung wegen Schwerbehinderung – Entschädigung nach dem AGG

Bereits die Vorinstanzen gaben dem Kläger Recht, wobei ihm das erstinstanzliche Arbeitsgericht volle drei Bruttomonatsgehälter, das Berufungsgericht jedoch nur ein Bruttomonatsgehalt als Entschädigung zusprach. In der Revisionsinstanz entschied das Bundesarbeitsgericht, dass eine Diskriminierung aufgrund der Schwerbehinderung vorläge, da der Bewerber nicht offensichtlich ungeeignet sei, um die streitgegenständliche Stelle zu besetzen. Eine Einladung zum Vorstellungsgespräch hätte daher erfolgen müssen.

– BAG vom 11.08.2016 Akz. 8 AZR 375/15 –

Mehr zu lesen auf:

www.bundesarbeitsgericht.de

Die Empfehlung der Anwälte aus Neuss

Rechtsanwalt Mahir Özüdogru, welcher schwerpunktmäßig das Arbeitsrecht bearbeitet, empfiehlt schwerbehinderten Bewerbern ihre Ansprüche rechtzeitig anwaltlich überprüfen zu lassen. Diskriminierungen können sehr vielseitig und vor allem frühzeitig bereits in der Bewerbungsphase auftreten. Arbeitgeber sollten hingegen bereits bei der Ausschreibung der Stelle und der anschließenden Bearbeitung von Bewerbungsanfragen genauestens auf die Bestimmungen des AGG achten. Oftmals können anfängliche Fehler auch in einem späteren Prozess nicht mehr ausgebügelt werden.